Wenn nur limitierte Ressourcen vorhanden sind, müssen Schwerpunkte gebildet werden. Soldaten kennen das Prinzip, jetzt wird es auch die Politik schnell lernen müssen. Aktuell ist – wenn man es so nennen darf – die Bundeswehr selbst die knappe Ressource. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat nun vermutlich auch der größte Teil der politischen Klasse in Berlin akzeptiert, dass einsatzfähige und kampfbereite Streitkräfte auch in der heutigen Zeit unerlässlich sind. Neben moderner Ausrüstung und Struktur bedarf es dazu aber auch einer intensiven Ausbildung – schließlich spart jeder Tropfen Schweiß in der Ausbildung Blut in einem späteren Gefecht.
Allerdings ist das Verständnis, wofür Streitkräfte eigentlich da sind, noch nicht überall vorhanden, wie man an dem aktuellen Hilfegesuch der Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey sieht. Diese hat heute Morgen Bundeswehrunterstützung angefordert, um die Versorgung der in Berlin in großer Zahl ankommenden Flüchtlinge aus der Ukraine sicherzustellen. Ein Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr soll noch heute erfolgen. Wie schon bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise 2015, der Flutkatastrophe 2021 oder der nunmehr seit 2020 dauernden Dauerunterstützung im Zuge der Corona-Pandemie, sollen nun erneut die Streitkräfte in die Bresche springen, um Lücken im Zivilschutz und in der Verwaltung zu schließen.
So verständlich dieses Hilfeersuchen aus Berlin ist, darf der inländische Hilfseinsatz keine Daueraufgabe der Bundeswehr werden. Die vergangenen Monate und Jahre haben die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte bereits deutlich geschwächt. Viele der für die Einsatzfähigkeit fundamentalen Ausbildungen und Übungen mussten geschoben werden oder sind aufgrund von Hilfsabstellungen komplett ausgefallen. Wichtige Multiplikatoren haben die Streitkräfte verlassen, ohne dass eine geordnete und adäquate Nachfolge geregelt werden konnte. Schließlich wird die Leistungsfähigkeit von Streitkräften nicht dadurch bestimmt, ob Dienstposten mit Personal besetzt sind, sondern dadurch, dass die Menschen auf den Dienstposten auch die notwendigen Fähigkeiten für die Verrichtung ihrer Aufgaben mitbringen. Einmal verloren, dauert es Jahre, um diese Fähigkeiten erneut aufzubauen – dies ist zwar eine Binse, sie kann aber nicht oft genug wiederholt werden.
Es bleibt daher die Hoffnung, dass sich die Streitkräfte im aktuellen Fall darauf konzentrieren können, ihre Befähigung zum Kampf wiederzuerlangen. Zumindest in Teilen der Bundespolitik scheint dieser Schwerpunkt erkannt worden zu sein. „Nein, Franziska Giffey. Damit muss endlich mal Schluss sein. Die Bundeswehr ist kein erweitertes Hilfswerk. Gerade jetzt brauchen wir die Bundeswehr für Ihre Kernaufgaben. Nicht nur Berlin muss mal aus Gemütlichkeit rauskommen. Für sowas gibt es u.a. zivilen Katastrophenschutz“, schrieb Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Mitglied im FDP-Bundesvorstand, heute Morgen auf Twitter als Reaktion auf die Forderung der Berliner Bürgermeisterin.
Nein, @FranziskaGiffey. Damit muss endlich mal Schluss sein. Die #Bundeswehr ist kein erweitertes Hilfswerk. Gerade jetzt brauchen wir die Bundeswehr für Ihre Kernaufgaben. Nicht nur Berlin muss mal aus Gemütlichkeit rauskommen. Für sowas gibt es u.a. zivilen Katastrophenschutz. pic.twitter.com/PLzOR1cQV6
— Marie-Agnes Strack-Zimmermann (@MAStrackZi) March 10, 2022