Rheinmetall zeigt mit dem „Panzerjäger“ Missionssystem ein Konzept zur Panzerabwehr. Damit stellt Rheinmetall einen neuen Effektor für die digitale Brigade auf dem vernetzten Gefechtsfeld der Zukunft sowie die geplanten Mittleren Kräfte der Bundeswehr vor. Das System feierte seine Premiere anlässlich der Eurosatory 2024 in Paris.
Das Konzept der Panzerjäger ist nichts grundsätzlich Neues. Die Panzerjägertruppe war eine bis 2006 eine Truppengattung des Deutschen Heeres. Danach wurde sie aufgelöst. Sie zählte zuletzt zu den gepanzerten Kampftruppen, und ihre Hauptaufgabe war die Panzerabwehr (Kampf- und Schützenpanzer). Sie waren als selbstständige Kompanien auf Brigadeebene organisiert. Im Laufe der Jahre wurden in der Bundeswehr Kanonen- und Raketenjagdpanzer genutzt.
Der neue „Panzerjäger“ von Rheinmetall ist für die Panzerabwehr großer Reichweite konzipiert. Er basiert auf der neuesten Technologie und ist ein voll integriertes System mit der Fähigkeit zur Integration mehrerer Sensoren und Effektoren. Das System ist grundsätzlich ein fahrzeugunabhängiger Ansatz. Gezeigt wurde es anhand einer 4 x 4-Plattform, vergleichbar einem Dingo 2 oder Enok 14.5 als Beispielsgröße.
Das Systemkonzept bietet eine hohe Manövrierfähigkeit, einen ausreichenden Schutz und dank seiner Ergonomie eine hohe Einsatzdauer der Besatzung. Neben diesem Konzept ist eine Integration des Panzerjäger Konzeptes auch auf 6 x 6, 8 x 8 und Kettenplattformen möglich, so der Hersteller. Nach Grafiken von Rheinmetall ist für die Mittleren Kräfte auch der Boxer als Fahrzeug denkbar.
Zur Aufklärungsausrüstung gehört ein elektro-optisches Sensorsystem EOS500, das auf einem Teleskopmast montiert ist und eine direkte Sichtverbindung mit einer Zielerfassungsreichweite von über elf Kilometern ermöglicht. Hinzu kommen drei voll integrierte Rheinmetall „Recce S“-Drohnen mit einer Aufklärungsreichweite von acht Kilometern und einer Flugdauer von bis zu 20 Minuten. Die Ladestation befindet sich ebenfalls an Bord. Die Recce S-Drohnen wird auch als Hero R bezeichnet und ist eine Eigenentwicklung von Rheinmetall.
Das Hauptwaffensystem ist der Panzerabwehrlenkflugkörper Spike LR2 mit einer Reichweite von 5,5 Kilometern – Non-Line-of-Sight (NLOS). An Bord befinden sich zwei Abschussvorrichtungen mit insgesamt vier schussbereiten Spike LR2. Die Spike LR2 oder Eurospike ist in der Bundeswehr bereits als Mehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörpersystem (MELLS) in der Nutzung. Für andere Nutzerländer sind auch andere Panzerabwehrlenkwaffen möglich und denkbar. Oder eine Kombination aus Spike LR2 und zum Beispiel Loitering Ammunition wie die Hero 120 von UVision Air, die in Europa durch Rheinmetall vertrieben wird.
Eine ferngesteuerte Waffenstation Natter mit einem 7,62 x 51 mm Maschinengewehr vervollständigt die Bewaffnung und dient vor allem dem Eigenschutz sowie der Drohnenabwehr. Diese kann aufgrund der offenen Architektur individuell angepasst werden. Die Natter-Waffenstation 7,62 x 51 mm wurde zunächst für den Einsatz auf einem UTF entwickelt. Unter Beachtung einer zulässigen Dachlast von maximal 105 Kilogramm und der Anwendung modularer Waffenrüstsätze stellt die Natter 7.62 eine erhebliche Kampfwertsteigerung der sonst ungepanzerten Transportfahrzeuge dar.
Die Natter verfügt über ein koaxial zur Waffenlinie installiertes allwetterfähiges FlexEye Sensorsystem. Ein bedeutendes Leistungsmerkmal ist die Fähigkeit, durch digitale Videoverarbeitung das Ziel für den Bediener konstant erfasst und zentriert angezeigt zu behalten, während die Waffe auf den berechneten Aufsatz und Vorhalt einschwenkt. Zum Selbstschutz tragen das Schnellverdunkelungssystem ROSY und die Akustische Plattform für Fahrzeuge (APV) bei. Die APV erkennt akustisch Abschusssignaturen bei gegnerischem Beschuss und berechnet die Position der Bedrohung.
Ein mögliches Einsatzszenario für das Panzerjägerfahrzeug ist die Unterstützung von Angriffsoperationen, oder die Überwachung von Räumen und Flanken. Dazu folgt der Panzerjäger den angreifenden Einheiten in Sprüngen oder überwacht deren Flanken. Mit seiner überlegenen Lageerkenntnis und seiner Fähigkeit, Kampfpanzer auf große Entfernung zu bekämpfen, kann er zur Vernichtung von Gegnern von hinten, zur Überwachung der eigenen Einheiten und zur Feuerunterstützung oder zur Abwehr von gegnerischen Gegenangriffen durch Flankensicherung eingesetzt werden. Er kann auch Gebiete von besonderem Interesse überwachen.
Als Systemintegrator will Rheinmetall im Rahmen seines Ansatzes Digitale Brigade die verschiedenen Einheiten auf dem digitalisierten Gefechtsfeld der Zukunft miteinander vernetzen. Das Gefechtsführungssystem TacNet von Rheinmetall wurde speziell für die Anforderungen der Soldaten auf der taktischen Ebene entwickelt. Es ist für hochmobile, taktische Einsätze optimiert und bietet eine benutzerfreundliche Einsatzvorbereitung, Schnittstellenplanung und automatisierte Führungsprozesse.
TacNet ist voll kompatibel mit dem Middleware Tactical Core des Rheinmetall-Partners blackned und unterstützt die nahtlose Integration von Soldatensystemen der auf- und abgesessenen Soldaten, unbemannten Systemen und Fahrzeugen. Damit wird ein Schnittstellen-Informationsraum geschaffen, in dem taktische Daten zwischen allen angeschlossenen Waffensystemen austauschbar sind und so die Zeit für die Sensor-to-Shooter-Kette drastisch verkürzt wird.
Das Panzerabwehrfahrzeug wird über digitale, softwaredefinierte Funkgeräte in Verbindung mit der Middleware Tactical Core in den Systemverbund integriert. Es kann auch die neuen Gefechtsführungs- und Ausbildungsanwendungen der Digitalen Brigade nutzen. Dazu gehören Apps zur Erleichterung der Lageauswahl oder zur Ausbildung der Besatzung auf dem Originalgerät.
André Forkert