Bei der seit 19 Wochen laufenden ukrainischen Kursk-Offensive und der russischen Gegenoffensive konnte Russland zuletzt wieder kleinere Geländegewinne erzielen. Seine Truppen rückten im Westen des Kampfgebiets südlich Nowoiwanowka an zwei Stellen an beziehungsweise über die Straße nach Rylsk vor, konnten im Nordosten nahe Bathinka einen Geländestreifen sichern, und stießen im Südosten auf die Ortschaft Kurilowka vor. Die bereits von ukrainischer Seite dementierte Meldung, dass russische Truppen südlich Plechowo auf das Staatsgebiet der Ukraine vorrückten, hat sich nicht bestätigt.

Unbestätigt bleibt auch, dass sich ukrainische Kräfte im Westen vollständig von russischem Gebiet zurückgezogen haben, dass sie während eines Entlastungsangriffes nach der Gegenoffensive besetzt hatten. Allerdings gibt es hier keine gegenteiligen Behauptungen. Dennoch scheint sich der russische Angriffsschwung, einigen Berichten zufolge erstmals mit stärkerem Einsatz und auch Verlusten von nordkoreanischen Truppen, zuletzt verstärkt zu haben.
Ukraine wird versuchen, an Gebiet der Kursk-Offensive festzuhalten
Möglicherweise spielt zudem eine Rolle, dass das Wetter nach der herbstlichen Schlammperiode – die in der Region Kursk aufgrund der Geländebedingungen allerdings weniger gravierend ausfällt als im Süden der Ukraine – mittlerweile die Böden gefrieren lässt. Auch im Donbass konnte Russland zuletzt weiter vorrücken. Unter anderem stießen seine Truppen südlich der Stadt Pokrowsk nach Westen vor und drohen auch ohne deren Einnahme die durch sie führenden wichtigen Verkehrsverbindungen entlang der Front abzuschneiden.
Zudem begann Russland im Süden der Ukraine erstmals seit längerer Zeit wieder merkliche Offensivoperationen, unter anderem in Richtung Orichiw in der Region Saporischschja. Zu erwarten ist eine Fortsetzung dieser Angriffe im selben oder sogar erhöhten Tempo während der kommenden Winterwochen. Hintergrund dürfte wie bereits früher erwähnt der Versuch beider Seiten sein, sich in eine möglichst vorteilhafte Position zu bringen, falls es nach Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump am 20. Januar tatsächlich zu Waffenstillstandsverhandlungen kommt.
Gespräche über europäische Friedenstruppen
In diesem Sinne wird auch die Ukraine weiter versuchen, möglichst an dem mit der Kursk-Offensive eroberten Gebiet als Faustpfand festzuhalten. Mittlerweile gibt es zwischen europäischen NATO-Staaten bereits Gespräche über die mögliche Entsendung von Friedenstruppen zur Absicherung eines Waffenstillstands. Während Frankreich und Großbritannien hier offenbar eine Führungsrolle für sich sehen, kam zuletzt aus Polen eine Absage an solche „Spekulationen“.
Von deutscher Seite wollte Außenministerin Annalena Baerbock eine Beteiligung zumindest nicht ausschließen. Allerdings dürfte dies schon im Blick auf verfügbare Kräfte schwierig werden. In jedem Fall scheint trotz aller Hoffnungen ein Waffenstillstand schon deshalb noch nicht in Sicht, weil Russland kein Interesse daran haben dürfte, solange es weiter vorrückt. Inwiefern sich die Kursk-Offensive für die Ukraine gelohnt hat, wird sich daher vermutlich erst im nächsten Jahr zeigen.
Stefan Axel Boes