StartBewaffnungMMHG – Indische Gefechtshandgranate steht vor Auslieferung

MMHG – Indische Gefechtshandgranate steht vor Auslieferung

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Das als Multi Mode Hand Grenade (MMHG), zu Deutsch Mehrrollen Handgranate bezeichnete Kampfmittel des indischen Herstellers Economic Explosiv steht mit dem ersten Los von 40.000 Stück kurz vor der Auslieferung. Der Vertrag im Wert von etwa 69 Mio. US-Dollar über die Lieferung von einer Mio. Handgranaten wurde bereits letzten Herbst geschlossen.

Die wechselvolle Dynamik indischer Beschaffungsvorhaben der letzten Jahrzehnte lässt auch nach Vertragsabschluss häufig unvorhergesehene Wendungen aufkommen. In dem vorliegenden Fall scheint es jedoch geradezu vorbildlich abzulaufen und die ersten 40.000 Stück sind beim Hersteller bereit für die finale Abnahme durch die Güteprüfung der Streitkräfte.

Die neuen Handgranaten sind auch zwingend notwendig, da die indischen Streitkräfte noch immer die Type 36 M Granate verwenden, welches eine Lizenzfertigung der auch als Mills Bomb bekannten britischen No. 36M Mk I ist, die mit einem Synthetik-Überzug wasserdicht und damit tropentauglich gemacht wurde. Das Kampfmittel basiert auf einem Entwurf von 1915 und war bis 1972 die Standardhandgranate der britischen Streitkräfte, entspricht in Bezug auf Sicherheit, Flexibilität, Splitterbildung und Zuverlässigkeit jedoch schon lange nicht mehr den zeitgemäßen Anforderungen.

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Die 1995 gegründete Economic Explosiv Limited ist eine Tochtergesellschaft der Solar Industries India Ltd. und genauso wie das Mutterhaus in der zentralindischen Industriestadt Nagpur angesiedelt. Solar Industries ist als Spezialist für Sprengstoffe und Kampfmittelhersteller bereits seit Jahren Lieferant der indischen Streitkräfte. Die enge Zusammenarbeit mit den Streitkräften zeigte sich auch bei der Entwicklung der MMHG.

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Neben der dringend benötigten Ablösung des Type 36 M war auch die Atmanirbhar Bharat (eigenständiges Indien) Initiative, welche dem übergeordneten Ziel dient ein hohes Maß an Unabhängigkeit von ausländischen Zulieferern zu generieren, die treibende Kraft hinter dem Vorhaben. Auf der Anfang dieser Woche von der indischen Regierung mitgeteilten Positivliste für Rüstungsgüter waren Handgranaten, wie bereits erwartet, nicht aufgeführt. Somit bleibt den indischen Streitkräften auch in Zukunft nur die Möglichkeit diese Wirkmittel aus einheimischer Produktion zu beschaffen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass das Terminal Ballistics Research Laboratory (TBRL) die in mehrjähriger Entwicklungsarbeit entstandene Technologie einer kombinierten Angriffs- und Verteidigungshandgranate für die Umsetzung der Serienproduktion an einen Hersteller übergab. Das TBRL ist Teil des indischen Defence Research and Development Organisation (DRDO) Entwicklungs- und Forschungsverbundes, welcher mit seinen Laboren auch für die aktuellen Handwaffenprojekte verantwortlich zeichnet.

MMHG

Die MMHG besteht aus einem Polymerkörper in den der Zünder mit Sicherung eingeschraubt werden kann. Das Einsetzten und Entfernen des Zünders kann laut Hersteller beliebig oft wiederholt werden ohne Einfluss auf Lebensdauer und Zuverlässigkeit. Zudem ist der Zünder mit einem doppelten Zündkanal ausgestattet, um die Betriebssicherheit zu erhöhen. Als Explosivladung kommt die Sprengstoffmischung Composit B zum Einsatz, was überraschend ist, da diese Wirkmittelkombination seit Jahrzehnten durch weniger temperatur- und schlagempfindliche Stoffe ersetzt wird. Der Hersteller gibt dennoch die Lebensdauer bei einer Lagerung zwischen -20 °C und +55 °C mit 15 Jahren an. Auf die 260 g schwere Handgranate kann zudem mithilfe des auf dem Gehäuse befindlichen Gewindes ein zusätzlicher 230 g schwerer Splittermantel aufgeschraubt werden. Durch die 3800 in den Splittermantel eingegossenen, vorgeformten Splitter lässt sich der letale Radius in der Verteidigungsrolle von 5 m auf 8 m erhöhen. Die Entwickler des TBRL legten nach eigenen Angaben einen Schwerpunkt auf die gleichmäßige Abdeckung durch die Splitter nach erfolgter Detonation. Die Entstehung von deutlichen Lücken und nicht bestrichenen Räume rund um die Explosionsstelle sind bis heute eines der großen Kritikpunkte gegenüber der Type 36 M Granate.

Das aus 40.000 Stück bestehende erste Los ist vorerst nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man die Relationen innerhalb der indischen Streitkräfte betrachtet. Selbst der über eine Mio. Stück geschlossenen Rahmenvertrag für die MMHG wird gerade einmal ausreichen um etwa 60 -70 Prozent der Type 36 M Handgranate, welche auch bei Kräften des Innenministeriums vorhanden ist, abzulösen. Es ist daher davon auszugehen, dass das veraltete Kampfmittel noch einige Jahre im Bestand verbleiben wird.

Kristóf Nagy