Die US-Streitkräfte wurden – wie die europäischen Verbündeten auch – im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte primär im Rahmen der Terroristen- und Aufstandsbekämpfung eingesetzt. Dieser operative Schwerpunkt prägte auch Ausbildung und Ausstattung der Special Operations Forces (SOF) des US-Heeres. Die Neuorientierung der US-Streitkräfte mit Ausrichtung auf Konflikte gegen Russland, China oder Staaten mit vergleichbarem Bedrohungspotenzial macht auch eine Neuausrichtung der Army-SOF nötig. Tatsächlich steigern die US-Spezialkräfte ihre Präsenz und ihre Aktivität im erweiterten NATO-Raum.
Der neue Schwerpunkt erinnert an den Kalten Krieg. Wie damals sollen die US-Spezialtruppen schwerpunktmäßig Streitkräfte und auch zivile Kräfte darauf vorbereiten, eine wirksame Bewegung zur Abschreckung von Invasoren aufzustellen. Diese Abschreckungsfähigkeit soll im günstigsten Fall den Gegner überzeugen, dass sich die mit der Besatzung einhergehenden Kosten und Verluste nicht rentieren. Das als „Resistance Operating Concept“ (ROC) bezeichnete Konzept ist vor allem auf Partnernationen ausgerichtet, die durch China oder Russland bedroht sind. ROC gilt als Planungsgrundlage für koordinierte Widerstandsaktivitäten im Falle einer feindlichen Besetzung.
Ein besonderer Schwerpunkt gilt Osteuropa. „Wir prüfen unsere umfassende SOF-Strategie“, erklärte Army-Ministerin Christine Wormuth. „Wir wollen im Baltikum eine Abschreckung gegenüber Russland aufbauen. Wir können dazu beitragen, indem unsere Spezialkräfte die baltischen Streitkräfte bei der Entwicklung der Widerstandsfähigkeit unterstützen.“
Washington drängt Verbündete, im Rahmen des ROC-Grundkonzepts ein juristisches und organisatorisches Rahmenwerk zu schaffen, um eine künftige Widerstandsbewegung in den Rahmen der nationalen Streitkräfte zu integrieren. Als Vorbild zitiert das Pentagon die Estnische Verteidigungsliga. Der Freiwilligenverband umfasst 16.000 Angehörige. Er untersteht dem Verteidigungsministerium in Tallinn. Organisation und Ausbildung werden derzeit durch die Spezialkräfte der U.S. Army unterstützt.
Sidney E. Dean