StartStreitkräfteKommentar: Verteidigungshaushalt 2023 – Ende der Zeitenwende?

Kommentar: Verteidigungshaushalt 2023 – Ende der Zeitenwende?

Waldemar Geiger

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Rund sechs Monate nach dem Ausruf der Zeitenwende scheint die Regierungskoalition – zumindest was das Thema Verteidigungsausgaben angeht – wieder zum Status quo der Unterfinanzierung der Bundeswehr vor dem russischen Angriffskrieg übergegangen zu sein. Anders kann man die gestern erfolgte 1. Lesung des Bundeshaushaltes 2023, der einen um 300 Millionen Euro geringeren Einzelplan 14 als 2022 vorsieht, auch mit allem Wohlwollen nicht interpretieren.

Dabei ist der nominelle Rückgang von 300 Millionen Euro weniger problematisch als die augenblicklich davongaloppierende Inflation, die die reale „Kaufkraft“ des Einzelplans 14 im nächsten Jahr deutlich schmälern wird. Die Bundesbank ging Ende August davon aus, dass die für das Gesamtjahr 2022 zu erwartende Inflation höchstwahrscheinlich acht Prozent betragen wird. Diese Berechnung bezieht sich nur auf die Konsumgüterinflation. Die Erzeugerpreisinflation fällt vermutlich noch höher aus. Dem Statistischen Bundesamt zufolge lag der Preisaufschlag der letzten zwölf Monate für gewerbliche Produkte bei plus 37,2 Prozent, für Energie bei plus 105 Prozent und für Vorleistungsgüter bei plus 19,1 Prozent.

Zu erwarten ist überdies, dass die Löhne bei Bundeswehr und Verwaltung deutlich erhöht werden, was eine Ausgabenverschiebung weg von Rüstungsinvestitionen bedeuten würde. Vom in der Kaufkraft geschmälerten Verteidigungshaushalt muss die Bundeswehr nicht nur Sold und Gehälter bezahlen und den Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbetrieb unterhalten, davon müssen auch viele Beschaffungsmaßnahmen finanziert werden, die es nicht in das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen – dessen Kaufkraft bereits nach wenigen Monaten ebenfalls deutlich gesunken ist – geschafft haben. Neben der Aufstockung der praktisch nicht vorhandenen Munitionsvorräte müsste beispielsweise auch die dringend erforderliche Verstärkung und Modernisierung der Artillerie aus dem regulären Haushalt bezahlt werden, um nur zwei Beispiele zu nennen.

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Mit der Strategie der Nichtberücksichtigung von steigenden Kosten lassen sich kriegstaugliche Streitkräfte weder aufbauen noch unterhalten. Es scheint, dass die politischen Bekenntnisse zu einem stärkeren Fokus auf Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit reine Lippenbekenntnisse gewesen sind. Die drohende Gas- und Stromknappheit im Winter bei massiv steigenden Energiekosten sorgen wieder mal für kurzfristiges Denken im politischen Berlin. Es bleibt nur die Hoffnung, dass es bis zum finalen Beschluss des Haushaltes 2023 zu einer Anpassung des Entwurfs kommt, andernfalls kommen die Streitkräfte wieder einmal zu kurz.

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Waldemar Geiger