Zum 1. Oktober 2021 wurde ein Direktor Spezialkräfte der Bundeswehr in der militärischen Führungsorganisation etabliert – auf Ebene des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (EinsFüKdoBw). Truppendienstliche und fachliche Führungsstränge sollen in dieser Position gebündelt und die Beratungsfähigkeit, Kohärenz und internationale Kooperation der Spezialkräfte gestärkt werden. Der Direktor Spezialkräfte, Flottillenadmiral Stephan Plath, nimmt im S&T-Interview Stellung zu Gegenwart und Zukunft der Spezialkräfte der Bundeswehr.
S&T: Spezialkräfte sind ein strategisches Hochwertinstrument. Sehen Sie dieses Verständnis von Spezialkräften derzeit ausreichend gewürdigt?
Plath: Unbestritten sind unsere Spezialkräfte der Bundeswehr ein äußerst wirksames Mittel der deutschen Sicherheitspolitik. Die Bundesregierung verfügt mit den Spezialkräften über besondere Fähigkeiten, um mit kleiner Signatur schnell skalierbar Effekte mit strategischen Auswirkungen zu erzielen. Sie sind durch ihre Wesensart ein Mittel zur Risikominimierung.
Die Spezialkräfte der Bundeswehr bieten damit Entscheidungsträgern Möglichkeiten, auch unterhalb der Schwelle zum bewaffneten Konflikt zu handeln Der Zeitpunkt des sichtbaren Einsatzes dieser Fähigkeiten kann dabei sehr flexibel bestimmt werden.
Die Spezialkräftemissionen sind auch dann durchführbar, wenn der Einsatz konventioneller Kräfte nicht möglich oder noch nicht verhältnismäßig erscheint.
Ausschlaggebend ist ein vertrauensvoller Austausch mit den Entscheidungsträgern, der u.a. im Rahmen des Militärischen Ratschlages konkrete Handlungsoptionen aufzeigt. Dabei ist es Aufgabe der Spezialkräfte, Risiken und Chancen transparent aufzuzeigen und den Vorteil eines Ansatzes mit Spezialkräften herauszuarbeiten. Informationsformate mit dem parlamentarischen Raum dienen ergänzend dazu, der erforderlichen Transparenz gerecht zu werden.
Das bestehende Verständnis von Spezialoperationen hat zum aktuellen Engagement der Spezialkräfte der Bundeswehr beispielsweise in Afrika im Niger geführt. Selbst der deutsche Bundeskanzler hat sich sehr konkret über die Spezialkräfte im Niger informiert und das Engagement der Kräfte im Einsatz vor Ort gewürdigt.
Seit der Zeitenwende erfolgt eine weitere fortwährende strategische Betrachtung unterschiedlicher Optionen zum Einsatz von Spezialkräften. All dies unterstreicht, den Wert der Spezialkräfte.
S&T: Die Bundeswehr hat in den Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine Spezialkräfteverbände. Damit gehen ohne Zweifel streitkräftekulturelle Prägungen einher. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus?
Plath: Ein besonderer Vorteil dieser Struktur innerhalb der Bundeswehr liegt in der „Scharnierwirkung“, die durch die Spezialkräfte in den Teilstreitkräften wahrgenommen werden kann. Auf dem Fundament gemeinsamer Laufbahn- und Basislehrgänge, persönlicher Kennverhältnisse aufgrund von Jahrgangs- und Crewzugehörigkeit sowie einer verbindenden Sozialisierung innerhalb der jeweiligen Teilstreitkraft, können die Spezialkräfte die Belange der jeweiligen Dimension besser nachvollziehen. Spezialkräfte sind damit in der Lage, die Anforderungen aus Spezialoperationen mit den Rahmenbedingungen der konventionellen Kräfte in Beziehung zu setzen.
Gleichzeitig werden sie „joint“, also dimensionsübergreifend, geführt. Die Spezialkräfte arbeiten fortwährend sowohl national als auch multinational mit anderen Spezialkräften der unterschiedlichen Dimensionen eng zusammen. Das beginnt bereits in der Ausbildung mit gemeinsamen internationalen Lehrgängen und Übungen und setzt sich im Einsatz fort. In höheren Kommandobehörden und Stäben prägt dies die Zusammenarbeit.
Darüber hinaus ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Sozialisierung in den jeweiligen Teilstreitkräften, unterschiedliche Herangehensweisen zur Problemlösung. Die dimensionskulturelle Prägung eröffnet im parallelen Planungsansatz grundsätzlich einen größeren Lösungshorizont, aus dem sich für Entscheidungsträger mehrere Möglichkeiten des Handelns ableiten lassen.
Nachteilig ist der höhere Aufwand im Rahmen der Weiterentwicklung von Fähigkeiten der Spezialkräfte. Eine Ressourcenbündelung würde sich auf die Effizienz der eingesetzten Kräfte und Mittel auswirken.
Hierzu muss jedoch eine feine Abwägung zwischen Effektivität und Effizienz erfolgen, die sich auf die Aufgaben und abgeleiteten Aufträge der Spezialkräfte in der Zukunft auszurichten hat.
S&T: Wie sehen Sie die deutschen Spezialkräfte im Vergleich zu anderen NATO- und EU-Spezialverbänden aufgestellt? Wo gibt es ggf. noch Handlungsbedarf?
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