Die polnischen territorialen Verteidigungskräfte (Wojska Obrony Terytorialnej / WOT) kündigten kürzlich gleich zwei Beschaffungsvorhaben an. So sollen neben mehrere zehntausend Plattenträgern auch Scharfschützengewehre aus einheimischer Fertigung – teilweise noch dieses Jahr – zulaufen. Dies gab die zuständige Rüstungsagentur Anfang April bekannt. Die Aufträge liegen dabei im Gesamtwert von über 43 Millionen Euro.
Bei dem zu beschaffenden Plattenträger handelt es sich um die Gryf Serie des polnischen Traditionsherstellers Lubawa, welcher seit 1951 textile Produkte für den Behördenmarkt fertigt. Laut Mitteilung umfasst der Auftrag einen modularen Plattenträger mit ballistischen Schutzplatten für die Front und den Rücken, sowie kleinere ballistische Seitenplatten. Die vordere und hintere Schutzplatte weisen eine Abmessung von 250 × 300 mm, die kleineren Seitenplatte 150 x 150 mm auf. Auf die bestellte Schutzklasse und den ballistischen Aufbau geht die Mitteilung nicht ein. Lubawa bietet für das Gryf System mehrere Schutzpakete der polnischen Schutzklasse PN-V-87001:2011 mit dem Schutzniveau K3C bis K4 an, welche in etwa NIJ 0101.04 Level III bis Level IV entsprechen. Dabei sind sowohl Stand Alone Platten als auch Kombinationen mit Traumaelementen möglich.
Zusätzlich beinhaltet der Auftrag auch noch Magazintaschen für das Grot Sturmgewehr, sowie eine Tasche für Sanitätsmaterial und ABC-Schutzmaske, sowie einen Abwurfsack. Der Kommandeur der polnischen Territorialverteidigung, Brigadegeneral Maciej Klisz äußerte sich ebenfalls zu der Beschaffung. Diese seien laut dem General eine neue Qualität in der Ausstattungen leichter Infanteriekräfte und würden zwischen angemessenen Schutz und Mobilität auf dem Gefechtsfeld sicherstellen.
Die Beschaffung von Scharfschützengewehren des Typs BOR ist deutlich kleiner dimensioniert. WOT soll 60 Gewehre im Wert von 600.000 Euro beginnend ab Ende 2023 erhalten. Polen ist der größte Nutzer der Waffe im Kaliber 7,62 mm x 51. Seit 2008 von den mechanischen Werken Tarnów produziert, wurde das Gewehr in Bullpup Ausführungen und eingerichtet auf das Kaliber .338 LM außerhalb von Polen nur in geringen Stückzahlen nach Nigeria exportiert. 2017 wurde der größte Teil des aktuellen Bestands vom polnischen Verteidigungsministerium mit 657 Waffen bestellt. Bei den regulären Streitkräften wird die Waffe seitdem sukzessive mit der Sako TRG-21 abgelöst. Die aktuell für die Territorialverteidigung bestellten Waffen sollen, so erfuhr Soldat & Technik aus wohlinformierten Kreisen, auch nicht primär in der Scharfschützenrolle verwendet werden. Vielmehr sollen Pionier und EOD Einheiten dazu befähigt werden, UXOs (nicht umgesetzte Munition oder Munitionsteile) oder Sprengfallen auf Distanz unschädlich zu machen. Motivation für die Beschaffung wird daher vermutlich der gegenüber der Sako deutlich geringeren Preis sein.
Polen rüstet seit dem Beginn des Ukrainekrieges in einem rasanten Tempo auf. Neben den spektakulären Beschaffungen von Großgerät investiert das Verteidigungsministerium auch in die persönliche Ausstattung und Bewaffnung des einzelnen Soldaten, wie die vorliegenden Bestellungen zeigen.