StartStreitkräfteKommentar: Bundeswehrbrigade für Litauen – leere Worte oder tatkräftige Umsetzung?

Kommentar: Bundeswehrbrigade für Litauen – leere Worte oder tatkräftige Umsetzung?

Waldemar Geiger

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„Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren“, so Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zum Auftakt seines heutigen Besuchs in Litauen. Voraussetzung sei jedoch, dass die NATO-Partner zustimmen und die litauische Seite entsprechende Infrastruktur – in Form von Kasernen, Übungsplätzen und Depots – für rund 4.000 Soldatinnen und Soldaten samt Familien bereitstellen kann. Wie und wann dies geschehen soll, ist derzeit offenbar noch nicht bekannt. Auf eine Nachfrage eines litauischen Journalisten während der Pressekonferenz räumte Pistorius ein, dass die Litauer angeboten hätten, ihre Pläne für den Infrastrukturaufbau mit Deutschland zu teilen, so dass die Bemühungen synchronisiert werden können.

Auf den ersten Blick hat diese Ankündigung enorme außenpolitische, als auch streitkräftepolitische Gravitas. Nach der letztjährigen Ankündigung des Bundeskanzlers, dauerhaft eine Brigade an der Ostflanke stationieren zu wollen, kann Pistorius‘ Ansage als Bekräftigung an Verbündete und Russland verstanden werden, dass Deutschland sich nicht mehr an die Zusagen in der NATO-Russland-Grundakte gebunden fühlt, wonach die NATO in Osteuropa keine substanziellen Kampftruppen dauerhaft stationieren wird. An die Soldatinnen und Soldaten gerichtet bedeutet dies, dass sie sich über kurz oder lang darauf vorbereiten müssen „mit Sack und Pack“ nach Litauen umziehen zu müssen, nicht nur für wenige Monate, sondern dauerhaft.

Und genau dieser Teil der Aussage ist eine große Hypothek für die Truppe, die als Pendler- und Einsatzarmee zwar gewohnt ist, für mehrere Monate in den Einsatz zu gehen oder dauerhaft vom Heimat- zum Dienstort zu pendeln, aber immer unter der Prämisse der Freiwilligkeit. De facto hatte jeder selbst die Wahl, „die Heimat“ und vielleicht Familie nur am Wochenende zu sehen oder in den Einsatz zu gehen. Wer nicht wollte, konnte an den Dienstort ziehen oder eben keine Rotation für den Einsatz übernehmen. Zwar kennt auch die Bundeswehr die Stationierung im Ausland, aber nur in deutlich geringerem Maße und zumeist in Grenznähe. Lediglich integrierte Verwendungen in der NATO können es erfordern, dass Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dauerhaft weit abseits der Heimat stationiert werden, dies sind jedoch alles Einzelfallentscheidungen der jeweiligen Soldaten. Anders sieht es aus, wenn der Dienstort einer Brigade dauerhaft in einem Land liegt, dessen Entfernung es nicht erlaubt, am Wochenende nach Hause zu fahren.

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Wenn sich diese Aussage nicht in die Historie deutscher Aussagen und Versprechen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik einreihen soll, die zwar angekündigt, aber nie umgesetzt wurden, dann muss zügig Konkretes folgen. Denn die Truppe müsste dann liefern und zeigen, dass man gewillt ist, seinen Treueeid auch dauerhaft im Ausland zu leisten. Damit dies gelingt, müssten die Streitkräfte so schnell wie möglich erfahren, welche Brigade dauerhaft an der Ostflanke stationiert werden soll. Damit genug Zeit bleibt, entsprechende Personalplanungen vorzunehmen – bis hin zu Versetzungen von Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht umzugswillig oder -fähig sind.

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Aber auch die Verbündeten in Litauen müssen wissen, dass es nicht nur leere Versprechungen sind, die im Zweifelsfall eh eine der zukünftigen Bundesregierungen umsetzen muss. Dazu müssen ebenfalls schnell tatsächlich messbare Taten folgen. Wenn die Litauer – Stand heute – noch keinen Platz für eine vollständige Brigade haben, dann muss so schnell wie möglich Kompanie für Kompanie nach Litauen verlegt werden, sobald eben Platz für diese Kompanie geschaffen wird.

Erst wenn dies geschieht, wären die vom Minister angekündigten Maßnahmen keine leeren Worte, sondern Fundament für einen Paradigmenwechsel der deutschen Verteidigungspolitik hin zur einsatznahen Bündnisverteidigung.

Waldemar Geiger