StartTaktik & AusbildungTaktische Aufklärungsdrohnen: Sachstand und Weiterentwicklung der Fähigkeiten

Taktische Aufklärungsdrohnen: Sachstand und Weiterentwicklung der Fähigkeiten

Leitender Regierungsdirektor Dr. Carsten Cruse, Referatsleiter im BAAINBw

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Der rechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine rückte nicht nur die Bündnis- und Landesverteidigung in das Bewusstsein der europäischen Nationen zurück, sondern offenbart auch das Innovationspotenzial handelsüblicher Technologien im militärischen Umfeld.

Die Ukraine setzt erfolgreich handelsübliche Drohnen sowohl zur Aufklärung und Überwachung als auch zur Verbringung von Wirkmitteln ein. In den Medien wird immer wieder gezeigt, wie sehr vergleichsweise preiswerte Drohnen im unteren fünfstelligen Preisrahmen Panzer im Wert von mehreren Millionen Euro zerstörten oder ausschalteten. Die damit erzielten Erfolge bestätigen, dass taktische Drohnen nicht nur in kleinen, asymmetrischen Konflikten oder kriegsähnlichen Auseinandersetzungen, sondern auch in großen militärischen Konfrontationen eine bedeutende Rolle spielen.

Taktische Unmanned Aircraft Systems (TUAS) gehören seit Jahren zum Portfolio der deutschen Streitkräfte und werden querschnittlich in der Truppe eingesetzt. Das Referat L5.2 „Taktische UAS“ im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) stellt sowohl die Weiterentwicklung und das Nutzungsmanagement der eingeführten Systeme als auch die Deckung des identifizierten Bedarfs inklusive der erforderlichen produktbezogenen logistischen Leistungen für die Nutzung im Rahmen der Realisierung von Rüstungsprojekten sicher. Das erklärte Ziel der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) sowie des BAAINBw einer Beschleunigung der Beschaffung bedeutet gerade für taktische unbemannte Luftfahrzeugsysteme eine noch konsequentere Fokussierung auf marktverfügbare Lösungen, auch wenn diese möglicherweise nicht vollständig das geforderte Fähigkeitsspektrum abdecken.

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Bei der Beschaffung von Drohnen sind zwei maßgebliche Faktoren im Rahmen der Bewertung der Marktverfügbarkeit zu betrachten: die bundeswehreigene Zulassung bzw. Typfreigabe zum sicheren Flugbetrieb sowie die Informationssicherheit.

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Zulassungsaspekte

Die Zulassung bzw. Typfreigabe für den sicheren Flugbetrieb erfolgt durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr. Der Zulassung bzw. Typfreigabe von Drohnen der Bundeswehr liegen drei definierte Kategorien mit weiteren Unterkategorien zugrunde. Die Typfreigabe richtet sich u. a. nach der Abflugmasse der Drohne sowie nach operationellen Aspekten (z. B. der Flughöhe, dem Abstand, der zu Personen bzw. Personengruppen eingehalten werden muss, und Lufträumen). Je höher die Kategorie, desto höher sind die Anforderungen und umso aufwendiger die Nachweisführung. Für einen Flugbetrieb außerhalb der Sichtverbindung (BLOS) ist grundsätzlich eine Typfreigabe nach Kategorie 2 erforderlich. Der Einsatz von Drohnen im Sichtflugbetrieb erfordert oft nur eine Typfreigabe der Kategorie 1, während die unbeschränkte Nutzung der Lufträume oder das Überfliegen von dicht besiedeltem Gebiet einer Zulassung der Kategorie 3 bedarf.

Im operativen Einsatz werden Drohnen außerhalb der Sichtverbindung (z. B. aus einer Deckung heraus oder in Gelände mit starker Vegetation) betrieben. Eine Typfreigabe nach Kategorie 2 ist in diesen Fällen die Grundforderung, jedoch wird diese durch marktverfügbare Drohnen selten erfüllt. Für eine Typfreigabe der Kategorie 2 oder eine Zulassung der Kategorie 3 sind in den überwiegenden Fällen Modifikationen an der Hard- bzw. Software der Drohnensysteme erforderlich, die im Rahmen der Beschaffung beauftragt werden müssen. Einen Flugbetrieb vergleichbar mit dem risikobasierten Ansatz der zivilen Luftfahrtbehörden beispielsweise mit SORA (Specific Operations Risk Assessment), welcher stärker auf die konkreten Einsatzszenarien, die Fähigkeiten der Drohne und des Betreibers abzielt, sehen die Vorschriften des Luftfahrtamtes der Bundeswehr derzeit nicht vor.

Informationssicherheit

Für handelsübliche Drohnen mit entsprechender Konformitätskennzeichnung ist eine Fernidentifizierung erforderlich. Dabei werden u. a. geografische Informationen der Startstelle und Position des Bedienpersonals übermittelt. Diese können mit einer geeigneten App via Smartphone ausgelesen werden. Häufig ist auch eine Anbindung an das Internet erforderlich, über das die handelsüblichen Drohnen Daten übermitteln.

In militärischen Operationen kommt dem Schutz der Aufklärungs- und Überwachungsdaten ebenso wie der Position des Bedienpersonals eine große Bedeutung zu. Daher ist auf Erfüllung des IT-Grundschutzes der zu beschaffenden Systeme zu achten. Die unkontrollierte Übermittlung von Daten und Positionen sowie die Kompromittierung des Schutzbedarfs der Informationen müssen z. B. durch Sperren entsprechender Schnittstellen verhindert werden. Marktverfügbare Systeme erfüllen nur selten die militärischen Anforderungen hinsichtlich der Informationssicherheit. Eine Akkreditierung durch die Deutsche militärische Security Accreditation Authority (DEUmilSAA) erfordert ähnlich wie die Zulassung/Typfreigabe Modifikationen und Nachweise, die im Rahmen der Realisierung beauftragt werden müssen.

Taktische Drohnen der Bundeswehr

Im Folgenden werden zwei taktische Drohnen bzw. aktuelle Drohnenprojekte der Bundeswehr vorgestellt, bei denen neben der Umsetzung der Forderung nach Typfreigabe der Kategorie 2 und der Informationssicherheit insbesondere der Fokus auf der Marktverfügbarkeit der Produkte zur beschleunigten Beschaffung lag.

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Ein Soldat der Aufklärungskompanie vom Kommando Spezialkräfte (KSK) trainiert mit einer Drohne vom Typ Mikado, am 26.04.2021. (Foto: ©Bundeswehr)

Die seit 2005 in Nutzung befindliche Drohne MIKADO (Mikroaufklärungsdrohne für den Ortsbereich) gewinnt in Echtzeit detaillierte abbildende Aufklärungsergebnisse aus dem Ortsbereich. Sie wird eingesetzt, um Personen, Personengruppen, Waffen, Sperren, Fahrzeuge/Plattformen und sonstige Objekte zu orten und zu identifizieren und ein zutreffendes Lagebild schnell verfügbar zu machen.

Mit einem Vertrag über die Beschaffung von 145 Systemen inklusive einer Typfreigabe der Kategorie 2 findet seit Mai 2022 die Regeneration der Systeme statt. Die Auslieferung der ersten Seriensysteme ist für 2024 geplant. Zur Auswahl geeigneter marktverfügbarer Produkte wurde ein Vergleichsfliegen im Rahmen der Angebotsphase durchgeführt, in der die Anbieter die Leistungsfähigkeit ihrer Produkte demonstrieren konnten. Auf diese Weise konnte die Industrie die Fähigkeiten ihrer Systeme darlegen und der Bieterkreis reduziert werden. Des Weiteren konnte auf diese Weise bereits vor Vertragsschluss gezeigt werden, dass die ausgeschriebenen Leistungen realisierbar sind.

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Die Auslieferung der ersten Systeme Vector ist für 2024 geplant.
(Foto: Quantum-Systems GmbH)

Mit dem Aufklärungssystem FALKE (ferngeführtes Aufklärungssystem, luftgestützt, kurze Entfernung) wird für die Spezialkräfte des Heeres eine marktverfügbare taktische und schnell einsetzbare Drohne zur präzisen Aufklärung beschafft, welche bezüglich Reichweite, Stehzeit, Signatur und Sendeleistung geeignet ist, eine Fähigkeitslücke im Bereich der unbemannten luftgestützten Aufklärung zu schließen.

Dazu wurde im September 2023 ein Vertrag über die Beschaffung von bis zu 32 unbemannten Luftfahrzeugsystemen des Typs Vector geschlossen. Die Auslieferung der ersten Systeme ist für 2024 geplant. Durch eine vorhergehende Marktsichtung unter Einbindung der zukünftigen Nutzer sowie Fokussierung auf marktverfügbare Systeme mit konsequentem Forderungscontrolling konnte der Vertrag – ausgehend von der Finanzierungszusage – in unter einem Jahr geschlossen werden. Das System soll eine Typfreigabe der Kategorie 2 erhalten.

Handelsübliche Drohnen

Aufgrund der Erfahrungen des Ukrainekrieges fordert die Truppe immer wieder die Beschaffung von handelsüblichen Klein- und Kleinstdrohnen mit hochauflösenden optischen und Infrarotsensoren. Die Drohnen sind leicht und klein, lassen sich mobil insbesondere durch infanteristische Kräfte verbringen und einsetzen und weisen relativ geringe Beschaffungskosten auf. Aufgrund des zivilen Marktes sind diese Drohnen in großer Stückzahl verfügbar und unterliegen den kurzen Innovationszyklen des Marktes. Die Anwendungsmöglichkeiten sowie das Innovationspotenzial sind enorm. Der an der Wehrtechnischen Dienststelle 61 (WTD 61) in Manching angesiedelte Drone Innovation Hub (DIH) hat u. a. die Aufgabe, das Innovationspotenzial der Drohnentechnologie zu bewerten und für die Bundeswehr nutzbar zu machen.

Ohne Anpassung bezüglich der Informationssicherheit, eine Typfreigabe nach Kategorie 2 oder eine Einbindung in das logistische System der Bundeswehr können solche handelsüblichen Klein- und Kleinstdrohnen in der Bundeswehr nur in begrenztem Rahmen eingesetzt werden. Ein operativer Einsatz wie in der Ukraine ist aus den bereits dargestellten Gründen unter den Friedensflugbetriebsregularien in Deutschland weitestgehend ausgeschlossen und müsste andernfalls als Sicherheitsrisiko betrachtet werden. Die Inspekteure des Heeres und der Streitkräftebasis haben zudem aufgrund der fehlenden Informationssicherheit die Nutzung von Produkten des chinesischen Herstellers DJI in ihrem Verantwortungsbereich untersagt.

Aufgrund des in der Ukraine eindrucksvoll demonstrierten taktischen Nutzens sowie der Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten muss jedoch versucht werden, den operativen Einschränkungen zu begegnen, um das Potenzial handelsüblicher Klein- und Kleinstdrohnen für die Truppe nutzbar zu machen. Ein erster Schritt wurde durch das Drohnenkompetenzzentrum der WTD 61 getan. Es wurden handelsübliche Drohnen identifiziert, die den IT-Grundschutz erfüllen und somit keine Informationen unkontrolliert an Dritte übertragen. Diese Drohnen wurden in eine sogenannte „Blue List“ aufgenommen. Mit der Einschränkung des Kaufs auf diese Produkte soll sichergestellt werden, dass nur Produkte beschafft werden, die anschließend betrieben werden dürfen. Die Produkte der Liste stellen jedoch ohne angepasste Zulassungsvorgaben auch weiterhin nur eine eingeschränkte operative Fähigkeit bereit.

Beitrag zur Zeitenwende

Grundsätzlich steht der hohe zeitliche, monetäre sowie Managementaufwand für eine Typfreigabe einer schnellen Beschaffung handelsüblicher Drohnen entgegen. Abhilfe könnte hier ein Ansatz schaffen, der in der zivilen Fliegerei unter Specific Operations Risk Assessment bekannt ist. Hierbei wird der Fokus weniger auf die einzelnen Nachweise von Systembestandteilen, sondern auf das grundsätzliche Betriebsrisiko in verschiedenen Szenarien gelegt. Dieses Vorgehen bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes unter Einbindung des Luftfahrtamtes der Bundeswehr, dem Drohnenkompetenzzentrum an der WTD 61, dem Drone Innovation Hub und der militärischen Nutzer, um im Geiste der Zeitenwende das Innovationspotenzial im Bereich der taktischen Drohnen schnell und effektiv für die Bundeswehr nutzbar zu machen.

Leitender Regierungsdirektor Dr. Carsten Cruse, Referatsleiter im BAAINBw