Auf ihrer offiziellen Website gibt die Koninklijke Landmacht (Niederländische Königliche Armee) einen Einblick in die aktuellen Vorhaben. So wurde während der Volltruppenübung Grand Quadriga die gesamte Ablaufkette eines Einsatzes im taktischen Szenario beübt. Grand Quadriga ist ein Übungsanteil der deutschen Übungsserie Quadriga 2024.
Das Heer und andere Organisationsbereiche der Bundeswehr – und viele multinationale Partner – beteiligen sich unter dem Dach der US-Übung Steadfast Defender 2024 mit 12.000 Soldatinnen und Soldaten sowie 3.000 Fahrzeugen an einer Serie von vier Übungen, die als Quadriga 2024 bezeichnet wird. Das System der Bündnisverteidigung solle mit der Übungsserie einem Stresstest unterzogen werden, sagte der Inspekteur des deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, im Vorfeld.
Nur für sich genommen, ist Quadriga 2024 die größte Übung deutscher Landstreitkräfte seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Und da niederländische Truppen mittlerweile sehr eng in das deutsche Heer integriert sind, sind natürlich auch diese ein wichtiger Faktor in der eigentlich deutschen Übungsserie. Grand Quadriga ist der Übungsteil, der eine Verlegung nach und Wirkung in Litauen als Ziel hatte.
So berichtet die Koninklijke Landmacht, dass nach dem Verlassen der Kaserne in Oirschot und der Wasserüberquerung in Olst die zweite Phase der Großübung Grand Quadriga beginnt: eine Einsatzübung in Deutschland. Zeit für die 13. Leichte Brigade und alle Unterstützungseinheiten, die gesamte Ablaufkette zu trainieren. „Die Lernkurve ist enorm steil“, resümiert die niederländische Heeresführung.
Das Dröhnen der entgegenkommenden Leopard-Kampfpanzer hallt bedrohlich über das Übungsgelände des deutschen Gefechtsübungszentrum (GÜZ) in der Altmark. Versteckt am Waldrand liegen drei Radpanzer Boxer. Der Auftrag für die Soldaten des niederländischen 17. Panzergrenadierbataillons ist so klar wie komplex: „Den Feind zehn Stunden lang aufhalten, bis die Haupttruppe zum Gegenangriff kommt“, erklärt der niederländische Zugführer Oberleutnant Geert. „Wir sind hier mit einem ganzen Zug auf Linie. 250 Meter südlich von uns steht der Feind. Es liegt an uns, die Brücke vor uns geschlossen zu halten.“
Seine Charlie-Kompanie hat bereits einige Wochen Training hinter sich und ist seit Stunden im Einsatz. Das macht die Vorfeldbeobachtung in einem Verteidigungsszenario dann doch zu einer herausfordernden Aufgabe. Aber, so lächelt er: „Wenn der Feind kommt, geht alles ‚on‘. Wir sind dazu da, aus dem Chaos Ordnung zu schaffen.“
Chancen und Schwachstellen
Das niederländische Heer zieht mit 4.500 Soldaten alle Register. Bei der Übung in Deutschland geht es darum, taktisches Handeln auf Brigadeebene zu üben. Den Abschluss bilden zwei 96-stündige Übungen im Gelände. „Das letzte Mal, dass ich in diesem Umfang geübt habe, ist mindestens zehn Jahre her“, sagt Oberstleutnant Niels Verhoef, Kommandeur des 17. gepanzerten Infanteriebataillons. „Bei dieser Übung haben wir die gesamte Kette trainiert. Die gleichzeitige Operation und Integration so vieler Einheiten ist unglaublich komplex. Eine solche Situation lässt sich nur schwer simulieren, man muss sie erleben.“
Von der Verwundetenbergung über die Versorgung bis hin zu CBRN-Lagen mit Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen: Neben der Infanterie nahmen alle Kampfunterstützungseinheiten an dem taktischen Szenario teil. „Wir sind es nicht mehr gewohnt, in einem so großen Rahmen miteinander zu trainieren. Das wirft Fragen auf“, erklärt Verhoef.
Etwa diese: „Wo soll der EOD-Spezialist im Kampf stehen? Einerseits möchte man sie nicht zu weit vorne und ungeschützt in der Bereitschaft haben, andererseits sollten sie aber auch in der Lage sein, ihre Aufgabe schnell zu erfüllen. Oder nehmen Sie die Sanitäter. Wo kann man sich mit seinem Boxer-Sanitätspanzer hinstellen, um schnelle Reaktionszeiten zu haben, ohne sich selbst zur Zielscheibe zu machen? Die Stärke dieser Übung besteht darin, dass sie alles zusammenbringt. Nur so lernt man die Stärken und Schwächen der anderen im Kampf kennen.“
Fakten und Zahlen
Grand Quadriga ist Teil von Steadfast Defender 2024, der größten NATO-Übung seit dem Ende des Kalten Krieges vor etwa 35 Jahren. An der Übung, die von Februar bis Mai dieses Jahres stattfindet, nehmen 90.000 Militärangehörige aus 32 Mitgliedstaaten teil. Und für die niederländischen Einsatzkräfte bedeutet das, gegen den kontinuierlichen Druck zu bestehen.
Denn in der letzten Phase der Übung lag der Schwerpunkt auf den taktischen Defensivmaßnahmen. „Dies ist sicherlich ein realistisches Szenario, auf das wir uns vorbereiten. Sollten sich die Spannungen beispielsweise an der Flanke des NATO-Vertragsgebiets verschärfen, wird ein Großteil der NATO-Einheiten zum Einsatz kommen. Leichtere Einheiten wie wir werden zuerst eingreifen, um den Vormarsch eines Gegners zu verzögern. So lange, bis die schwereren Einheiten der Hauptstreitkräfte das Kampfgebiet erreichen“, sagt Verhoef.
Einheiten nehmen eine Position ein und manövrieren dann unter dem Druck des Gegners schnell an eine andere Stelle des Kampfes, um den gewünschten Effekt zu erzielen.Der deutsche Übungsgegner eröffnete das Feuer auf die Niederländer mit mehreren Offensivaktionen. Während die Niederländer mit Mercedes-Benz G280 CDIs Geländewagen, Radpanzern Fennek und Boxer vorrückten, setzte der Gegner Waffenträger Wiesel, Schützenpanzer Marder und mehrere Kampfpanzer Leopard ein. Dies erforderte nicht nur ein schnelles Umschalten bei der Entscheidungsfindung, sondern auch ein schnelles Verschieben der Einheiten auf dem Übungsgelände. „Jedes Mal mussten wir den Schwerpunkt verlagern. Die Einheiten mussten eine Position einnehmen und dann unter dem Druck des Feindes schnell an eine andere Stelle im Kampfgebiet verlegen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.“
Bereit
Gefechtsbereitschaft zu zeigen, war die Devise. „Das haben wir auf jeden Fall gezeigt“, meint der Kommandeur. „Inklusive dieser Übung waren wir einen Monat lang im Einsatz und durchgehend einsatzbereit. Bei Temperaturen von -2 bis +25 Grad, von Sonnenschein bis Hagel: alles war dabei. Am Ende dieses Zeitraums noch einmal einen solchen Lauf hinzulegen, zeigt, dass man geistig und körperlich in der Lage ist, ein solch realistisches Szenario zu bewältigen. In diesem Sinne kann nichts mit einer solchen Erfahrung auf dem Feld mit einem echten und fähigen Trainingsgegner mithalten.“
Er fügt hinzu: „Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, wie anstrengend diese Zeit für unsere Leute war, die für längere Zeit von zu Hause weg sind. Dennoch gibt es kaum Beschwerden. Es steht viel auf dem Spiel, die Wahrnehmung für den Ernst der Lage ist wirklich da.“
Andre Forkert