Bei der ukrainischen Kursk-Offensive und der seit sieben Wochen laufenden russischen Gegenoffensive ist es zuletzt keiner der beiden Seiten gelungen, wesentlich Boden gutzumachen. Russische Streitkräfte schlugen im Nordwesten des Kampfgebiets offenbar einen Entlastungsangriff der Ukraine gegen ihren Vorstoß nördlich Ljubimowka in Richtung Malaja Loknja zurück. Die ukrainische Seite versucht weiterhin, das Schließen des russischen Kessels südlich von Ljubimowka zu verhindern und bei Russkoje Poretschnoje im Nordosten vorzurücken.
Die internationale Aufmerksamkeit ist weiter auf Berichte südkoreanischer, ukrainischer und mittlerweile auch amerikanischer Quellen gerichtet, wonach Nordkorea bis zu 12.000 Mann seiner Streitkräfte nach Russland, und speziell in die Region Kursk, entsenden will. Grundlage wäre der erst im Juni dieses Jahres von beiden Seiten unterzeichnete Vertrag über eine umfassende strategische Partnerschaft. Artikel 4 des Vertrages bestimmt, dass im Falle einer bewaffneten Invasion gegen eine der Parteien die andere unverzüglich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Hilfe leistet.
Kursk-Offensive, der neue Koreakrieg?
Nach letzten US-Berichten befinden sich bereits 10.000 Nordkoreaner in Russland. Der südkoreanische Nachrichtendienst NIS teilte mit, dass sich ein Vorauskommando unter dem stellvertretenden nordkoreanischen Generalstabschef Kim Yong Bok möglicherweise schon auf dem Weg nach Kursk befinde. Eine solch hochrangige Führung würde die Bedeutung unterstreichen, die auch Nordkorea der Entsendung zumisst. Bereits seit den ersten Meldungen wird spekuliert, dass sein Interesse vor allem darin besteht, Kampferfahrung in einem modernen Krieg zu sammeln.
Ob Russland im Gegenzug finanzielle, materielle oder speziell militärische Hilfe für das international isolierte und wirtschaftlich am Boden liegende Land leistet, ist nicht bekannt. Südkorea betrachtet den Vorgang jedenfalls auch als Bedrohung seiner eigenen Sicherheit und denkt über Gegenmaßnahmen nach. Insbesondere steht eine direkte Unterstützung der Ukraine mit Munition und anderem Material zur Debatte, die bis jetzt nur in geringem Umfang etwa durch Ersatzlieferungen von Artilleriemunition an die USA erfolgt ist.
Ergebnisse der Kursk-Offensive könnten noch wichtig werden
Angesichts der umfassenden Kapazitäten der südkoreanischen Rüstungsindustrie, die neben der Produktion zur Verteidigung gegen Nordkorea mittlerweile auch erfolgreich auf dem internationalen Exportmarkt auftritt und selbst Panzerfahrzeuge an NATO-Länder liefert, könnte das wiederum zu einer erheblichen Stärkung der Ukraine führen. Neben Personalproblemen leidet deren Verteidigung bekanntlich weiterhin unter erheblichem Materialmangel, insbesondere beim Nachschub an Artilleriemunition.
Mittlerweile werden auch mit Spannung der Ausgang der US-Wahlen am kommenden Montag und die Auswirkungen auf den Ukraine-Krieg erwartet. Für den Fall einer neuen Präsidentschaft von Donald Trump und abhängig von den Mehrheiten im Kongress wird ein wesentlicher Rückgang, möglicherweise sogar die Einstellung der amerikanischen Hilfe befürchtet. Sollte es jedoch tatsächlich zu Verhandlungen über ein Ende des Konflikts kommen, dürfte es wichtig für die Ukraine sein, ein Minimum an Ergebnissen aus der Kursk-Offensive für einen möglichen Austausch besetzter Gebiete zu retten.
Stefan Axel Boes