StartStreitkräfteUkrainische Kursk-Offensive: 16. Woche

Ukrainische Kursk-Offensive: 16. Woche

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Bei der ukrainischen Kursk-Offensive und russischen Gegenoffensive konnten beide Seiten nach etwa einwöchigem Stillstand am vergangenen Wochenende wieder Geländegewinne erzielen, bevor die Fronten erneut zum Stehen kamen. Ukrainische Truppen zogen sich aus dem schon länger drohenden Kessel südlich der Ortschaft Ljubimowka zurück, die damit an Russland fällt. Russische Kräfte konnten auch weiter südlich am Fluss Snagost vorrücken und den Ort Darjino einnehmen. Dagegen konnte die ukrainische Seite nordöstlich von Martinowka an der Straße nach Kursk weiteres Gelände sichern.

Lagebild bei der Kursk-Offensive am 26. November um 21:00 Uhr MEZ.
Lagebild bei der Kursk-Offensive am 26. November um 21:00 Uhr MEZ: Ukrainische Kräfte haben sich aus der drohenden Einkesselung südlich des Ortes Ljubimowka zurückgezogen, der damit an Russland fällt. Russische Truppen rückten zudem weiter südlich am Fluss Snagost vor. Dagegen konnte die Ukraine nordöstlich von Martinowka an der Straße nach Kursk zusätzliches Gelände sichern. (Bild: Google Maps/Boes)

Im Fokus der Aufmerksamkeit stand allerdings weniger die Kursk-Offensive selbst als die gegenseitigen Raketenangriffe auf Ziele im Hinterland, nachdem die Ukraine am 19. November im Gefolge der entsprechenden amerikanischen Freigabe erstmals ein russisches Munitionsdepot in der benachbarten Oblast Brjansk mit ATACMS-Raketen angegriffen hatte. Am 20. November trafen zudem mindestens zwölf von Großbritannien gelieferte Marschflugkörper Storm Shadow ein Ziel in Marjino westlich des Kampfgebiets. Dabei handelte es sich Berichten zufolge um den russisch-nordkoreanischen Gefechtsstand für die Gegenoffensive.

Wechselseitiger Raketenbeschuss

Am 21. November feuerte Russland eine ballistische Rakete auf das Industriegelände des Fahrzeug- und Weltraumkonzerns Juschmasch in der südukrainischen Stadt Dnipro ab. Dabei handelte es sich nach russischen Angaben um den Praxistest einer neuen Mittelstreckenwaffe mit der Bezeichnung Oreschnik. Videoaufnahmen zufolge trug diese sechs unabhängig zielbare Wiedereintrittskörper (MIRV), die scheinbar ohne Gefechtskopf eingesetzt wurden und nur kinetische Wirkung durch die hohe Einschlagsgeschwindigkeit erzielten.

Der russische Präsident Wladimir Putin verband sein anschließendes Statement mit der Drohung, auch militärische Einrichtungen westlicher Staaten anzugreifen, die der Ukraine den Beschuss des „echten“ russischen Staatsgebiets mit von ihnen gelieferten Flugkörpern gestatten. Desungeachtet führte die Ukraine ab dem 23. November weitere Raketenangriffe auf Ziele in der Oblast Kursk durch, bei denen zumindest teilweise ATACMS eingesetzt wurden. Getroffen wurde unter anderem eine Stellung des Flugabwehrsystems S-400 und der Flughafen Kursk-Wostotschny.

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Auswirkungen auf Kursk-Offensive unklar

Mittlerweile hat auch Frankreich erklärt, dass es der Ukraine den Einsatz der französischen Storm-Shadow-Variante SCALP gegen russisches Territorium gestattet habe. Unbestätigten Berichten zufolge gibt es zudem Gespräche zwischen Frankreich, Großbritannien und Polen über die Möglichkeit der Entsendung eigener Truppen in die Ukraine. Bereits Anfang des Jahres hatte der französische Präsident Emmanuel Macron diese Option ins Spiel gebracht, um ukrainische Streitkräfte zumindest von Routineaufgaben wie Ausbildung, Minenräumung und Grenzsicherung gegenüber dem russischen Verbündeten Belarus zu entlasten.

Inwieweit die Raketenangriffe auf russisches Gebiet die Operationen gegen die Kursk-Offensive beeinträchtigen, ist derzeit noch unklar. Obwohl diese seither zu stocken scheinen, konnte Russland zwischenzeitlich doch wie kürzlich bei Ljubimowka und Darjino Geländegewinne erzielen. Für entscheidende Auswirkungen müssten vermutlich russische Kommando- und Nachschubeinrichtungen sowie Luftangriffs- und Verteidigungsbasen in erheblichem Umfang neutralisiert werden. Ob die Ukraine bzw. ihre Unterstützer über die dafür notwendigen Raketenbestände verfügen, ist vorläufig offen.

Stefan Axel Boes