In der Artillerie seit Jahrzehnten im Einsatz sind Mündungsgeschwindigkeitsradare (MVR) in der Mörserei noch Exoten. Die dänischen Streitkräfte waren 2019 die ersten, die ein MVR in ein 120-mm-Mörsersystem (Cardom 10 von Elbit) integriert haben. Zum Einsatz kommt das MVR-700 SC (Sub Compact) des dänischen Radarspezialisten Weibel.
Die MVR-700 Serie von Weibel war das erste Dopplerradar mit digitaler Signalverarbeitung und wurde vor 30 Jahren erstmals durch die Schweizer Streitkräfte in eine gepanzerte Haubitze integriert. Mittlerweile sind über 4.000 Radare der 700er Serie in 30 Streitkräften weltweit, darunter auch in der PzH2000 (MVR-700 C) der deutschen Artillerie, im Einsatz. Im Zuge der von Omega durchgeführten Mortar Systems Conference 2020 (11.-12. März in Bristol, UK) wurde das System genauer vorgestellt.
Sinn und Zweck
Bei der Artillerie sind innenballistische Einflüsse für bis zu 70 Prozent der Streuung verantwortlich, so Lars Krogh Vammen, Director Business Development bei Weibel Scientic A/S.
Will man Flächenziele bekämpfen, dann ist eine große Streuung sicherlich sinnvoll, will man dagegen besonders Präzise schießen, dann ist diese Streuung eher hinderlich. Genau hier kommt das MVR ins Spiel. Es holt die maximale Präzision aus einem indirekt feuernden System mit herkömmlicher Munition heraus, indem es mehre ballistische Einflüsse eliminiert, so Vammen weiter.
Da die Streuung mit der Entfernung zunimmt, werden die Einflüsse umso entscheidender, je weiter geschossen werden soll. Waren bei schweren Mörsern (120 mm) bis jetzt maximale Entfernungen von sechs bis acht Kilometern die Regel, fordern mehrere Streitkräfte Entfernungen jenseits der zehn Kilometer für ihre künftigen Systeme. Um Mörser auf diese Entfernung noch hinreichend präzise einsetzen zu können, muss das Gesamtsystem – Waffenanlage, Feuerleitsystem und Munition – jegliche Möglichkeiten zur Präzisionssteigerung nutzen.
Ballistische Einflüsse
Bezogen auf die Erfahrungen der Artillerie, lassen sich folgende auf die Ballistik Einfluss nehmende Aspekte mittels eines MVR kompensieren, von denen man annehmen kann, dass diese auch für die Mörserei zu mindestens teilweise übertragbar sind:
- Rohrtemperatur
- Rohrzustand (Abnutzung)
- Munitionslos (bspw. im Bezug auf Gewicht)
- Treibladungszustand (Temperatur, Feuchtigkeit, Alter, Lagerungsbedingungen)
- Zustand der Rückstoßdämpfung (Wartungszustand, Abnutzung)
- Umweltspezifische Einsatzbedingungen (bspw. Untergrundbeschaffenheit)
Funktionsweise
Das Dopplerradar sendet während des Schusses auf bis zu 13 unterschiedlichen Frequenzen einen ca. eine Sekunde langen und 0,5 Watt starken Impuls aus, um so die Geschwindigkeit der Patrone bzw. des Geschosses direkt nach Verlassen des Rohres (Mündungsgeschwindigkeit) zu messen. Somit wird die Abweichung des Ist- vom Sollwert ermittelt.
Die oben aufgeführten Faktoren können dazu führen, dass dieser Wert vom dem für die Feuerleitung berechneten Wert abweicht und sich so negativ auf die Präzision der Einschläge im Ziel auswirkt. Einige der Einflüsse sind waffenspezifisch, sodass theoretisch vier unterschiedliche Waffenanlagen beim Verschießen der gleichen Munition des gleichen Loses zum selben Zeitpunkt unterschiedliche Werte der Mündungsgeschwindigkeit erzeugen können.
Dadurch, dass das MVR die Daten des ersten Schusses in die jeweils genutzte Feuerleitsoftware überträgt, kann die gemessene Differenz in die Folgeschüsse einkalkuliert werden. Somit sind alle Folgeschüsse signifikant präziser. Die Weibel MVR sind wartungsarm und nutzen die Schüsse auch dazu sich selbst zu kalibrieren. Die Messgenauigkeit wird mit 0,05 Prozent angegeben. Das Systemgewicht beträgt ca. 5 kg und ist bereits neben dem Cardom 10 von Elbit auch in den Super Rapid Advanced Mortar System MK II (SRAMS MKII) von ST Engineering integriert. Der Abschluss der Integration in den ALAKran des spanischen Mörserherstellers NTGS soll in Kürze erfolgen.
Aus der Praxis für die Praxis
Auch wenn die dänischen Streitkräfte noch keine Daten zu den Erfahrungen mit ihren Systemen in der Praxis bekanntgegeben haben, konnte der Weibel Vertreter dem vertretenen Fachpublikum reale Testwerte präsentieren.
So kam der MVR-700 SC beispielsweise während einer vom 12. bis 14. November 2019 durch Hirtenberger Defence Europe (HDE) durchgeführten Serie von unternehmensinternen Testschießen auf dem Testgelände des Militärisch-Technischen Prüf- und Test-Instituts (VTSU) in Zahorie, Slowakei, zum Einsatz. Dabei wurden Ablagen von bis zu 153 m auf eine Schussentfernung von fünf Kilometern festgestellt. Dabei wurde die Hirtenberger 120-mm-Munition (5. Ladung Üb und Spreng) aus dem erstmals in Europa feuernden SRAMS MKII in Verbindung mit dem Arc-Fire Feuerleitsystem der neuseeländischen Hirtenberger-Tochter Hirtenberger Defence Technology (HDT) verschossen.
In einem weiteren Fallbeispiel nutzte die neuseeländische HDT das MVR-700 SC, um während einer Schießkampagne der neuseeländischen Streitkräfte die in der Schusstafel hinterlegten Werte in der Realität zu überprüfen. Geschossen wurde mit ca. 40 Jahre alten 81-mm-Zweibeinmörsern.
Dabei wurden auf eine Entfernung von 5,5 km Abweichungen von bis zu 200 m vom gemäß Schusstafel errechneten Sollwert festgestellt. Die festgestellten Ergebnisse wurden dazu genutzt, die Schusstafeln zu aktualisieren und so die Ausgangspräzision der in die Jahre gekommenen Systeme zu steigern.
Fazit
Die Präzision ist für den erfolgreichen Einsatz von Mörsern auf mehreren unterschiedlichen Ebenen von Belang:
- Je präziser das Feuer, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Feind bekämpft werden kann.
- Je präziser das Feuer, desto geringer ist der benötigte Munitionsansatz, dies gilt sowohl für Flächen- als auch Punktziele. Dies führt dazu, dass man die gleiche Wirkung für weniger Kosten oder eine größere Wirkung für die gleichen Kosten erreichen kann.
- Je präziser das Feuer, desto geringer ist der Zeitbedarf für das Abrufen des Wirkungsfeuers. Dies steigert sowohl die Überlebenswahrscheinlichkeit der Kampftruppe und auch der Feuereinheit, da die Exposition der Mörser gegenüber potenziellem feindlichem Gegenfeuer kürzer wird.
- Je präziser das Feuer, desto höher die Akzeptanz und das Vertrauen der eigenen Truppe in das Waffensystem. Dies haben britische, französische und amerikanische Einsatzerfahrungen gezeigt. Je geringer das Vertrauen in das System, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass das System in Danger-Close-Situationen (Verzahnung) zum Einsatz kommt.
Das vorgestellte MVR hat das Potenzial die Präzision und die Leistungsfähigkeit moderner, fahrzeuggestützter Mörsersysteme als auch bereits im Einsatz befindlicher Zweibeinmörser signifikant zu steigern. Es kann dabei unterstützen, das Wirkungsfeuer schneller anzurufen, unnötigen Munitionseinsatz zu verringern und mit herkömmlicher Munition selbst bei Schussentfernungen jenseits von acht Kilometern eine hinreichend genaue Präzision zu erzielen.