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Landmobilität der Fallschirmjägertruppe

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Die Fallschirmjägertruppe bildet den Kern der infanteristischen Kräfte im System Luftbeweglichkeit. Luftbeweglichkeit von Landstreitkräften ist dabei die Befähigung, die Dimension Luft für Landoperationen im Rahmen von verbundenen Operationen zu nutzen. Hier sind das Ergreifen der Initiative, temporäre Wirkungsüberlegenheit durch überraschende Kräfteprojektion, eine schnelle Reaktion auf Handlungen des Feindes sowie das Agieren über weite Entfernungen essentielle Kernelemente.

Die luftlandefähigen Fahrzeuge der Fallschirmjägertruppe sind grundsätzlich als modulare, vielfältige Fähigkeits- und Mobilitätsträger ausgelegt. Sie werden im Schwerpunkt in luftbeweglichen Operationen sowohl in der Landes- und Bündnisverteidigung als auch im Rahmen des nationalen Risiko- und Krisenmanagements als Beitrag zum Schutz deutscher Staatsbürger im Ausland eingesetzt.

Durch die Bereitstellung von Fahrzeugen in den ersten Phasen nach Luftlandung kann die Durchsetzungsfähigkeit der Fallschirmjägertruppe nachhaltig erhöht werden. Dabei spielen nicht nur Waffenträger, Sanitäts-, Führungs- und Transportfahrzeuge eine wesentliche Rolle, sondern beispielsweise auch Pioniergerät, um durch Instandsetzung oder Ertüchtigung von Landebahnen die Voraussetzungen zum Anlanden von Folgekräften zu schaffen.

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Somit ist das bestimmende Funktionsmerkmal für alle taktischen Fahrzeuge der Truppengattung die Lufttransportfähigkeit als Innen- und Außenlast mit einem schweren Transporthubschrauber und die Fallschirmabsetzbarkeit aus Transportflugzeugen.

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Gerade die Fähigkeit zur Fallschirmabsetzbarkeit von Fahrzeugen stellt eine essentielle Fähigkeitsforderung dar, über die die Fallschirmjägertruppe letztmalig mit den ersten Versionen der Kraftkarren in den 1970er-Jahren verfügte.

Die dargestellten Kernforderungen stehen zwangsläufig in Konkurrenz zu Forderungen nach Schutz, Zuladung und Bewaffnung. Dem tragen die perspektivisch ausgerichteten Planungen des Heeres Rechnung.

Die aktuellen Luftlandeplattformen und Herausforderungen in der Nutzung Wiesel 1 und 2

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Waffenträger Wiesel 1 MK. (Foto: Bundeswehr)

Die seit den 1990er-Jahren in der Bundeswehr genutzten Waffenträger Wiesel 1 haben sich in den Varianten Maschinenkanone 20 Millimeter und Panzerabwehrlenkflugkörper TOW (Tube-launched, Optically-tracked, Wire-guided) über Jahrzehnte bewährt. Sie erhöhen die Durchsetzungsfähigkeit der Fallschirmjägertruppe deutlich. Die Fähigkeit zur direkten taktischen Feuerunterstützung und der hochmobilen und weitreichenden Panzerabwehr wurden mit Einführung der Systeme deutlich gesteigert.

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Waffenträger Wiesel 1 TOW. (Foto: Bundeswehr)

Der Nachfolger der Waffenträger Wiesel 1, der „luftbewegliche Waffenträger“, wird nach derzeitiger Planung im Jahr 2027 in die Truppe eingeführt. Somit besteht die Notwendigkeit, die vorhandenen Waffenträger für eine verlängerte Nutzungsdauer zu ertüchtigen. Im Rahmen der derzeit stattfindenden Nutzungsdauerverlängerung wird u.a. ein blockbarer Dämpfer (zum präziseren Wirken mit der Maschinenkanone 20 Millimeter) realisiert. Die Waffenanlage TOW weicht dem moderneren MELLS (Mehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörpersystem) und alle Fahrzeuge erhalten ein digitales Führungs- und Informationssystem. Zusätzlich werden die Maschinenkanonen sowie die Aufklärungsfahrzeuge der Luftlandeaufklärungskompanien mit einer neuen, zeitgemäßen Optik ausgestattet. Gleichzeitig soll (soweit dies das Gesamtgewicht zulässt) das Schutzniveau der Waffenträger verbessert werden. Insgesamt wird der Wiesel 1 durch diese Maßnahmen für weitere Jahre für Übung und Einsatz zur Verfügung stehen und zudem mit seiner weltweit unvergleichlichen Mobilität und Wirkung als innenlastfähiges, leicht gepanzertes Fahrzeug überzeugen.

Die Wiesel 2 in der Version “Bewegliche Befehlsstelle“ bleiben bis zur Ablösung durch die neue Luftlandeplattform ebenfalls in Nutzung. Die bestehende Fahrzeugflotte wird im kommenden Jahr durch die neuen Varianten „Pioniererkunder“ und „Joint Fire Support Coordination Team“ (JFSCT) ergänzt.

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Wiesel 2 Sanitätstrupp. (Foto: Bundeswehr)

Die Sanitätsfahrzeuge der Reihe erhalten zudem eine Rüstsatzanpassung, die das signaturarme Betreiben der Sanitätsgeräte ohne Energieversorgung durch den Antriebsmotor gewährleistet. Zusätzliche Pufferbatterien ermöglichen schließlich eine Patientenversorgung während des Marsches.

Einsatzfahrzeug Spezialisierte Kräfte MUNGO und MUNGO Mehrzweck

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ESK MUNGO. (Foto: Bundeswehr)

Die Familie des „Einsatzfahrzeug Spezialisierte Kräfte“ (ESK) MUNGO wurde in den Jahren 2005 bis 2011 in die Bundeswehr eingeführt. Aufgrund des modernen Konstruktionsstandes bleiben diese Fahrzeuge ohne weitere investive Maßnahmen bis mindestens 2030 in Nutzung.

Ausblick: Taktisches, luftlandefähiges Utility Terrain Vehicle

Die Fallschirmspezialzüge der Fallschirmjägerregimenter werden ab 2021 mit sogenannten Utility Terrain Vehicle (UTV) ausgestattet. Bei diesem Typ handelt es sich um geländegängige Kleinfahrzeuge, die bis zu vier Personen transportieren können und eine Zuladung von bis zu 500 Kilogramm ermöglichen. Das UTV wird mit dem in Nutzung befindlichen selbststeuernden Lastengleitfallschirmsystem aus Transportflugzeugen absetzbar sowie als Innen- und Außenlast mit Transporthubschraubern verbringbar sein. Somit erhält die Luftlandetruppe eine verbesserte taktische Mobilität, um gerade in den ersten Phasen von luftbeweglichen Operationen Einsatz- und Wirkungsspektrum deutlich zu erweitern.

Zukünftige Luftlandeplattformen

Das Gesamtprojekt „Luftlandeplattformen“ zielt auf eine Ablösung der luftlandefähigen Radfahrzeuge sowie der Wiesel 1 und 2 ab.

Hier wird das Ziel verfolgt, vor allem die Nachfolgegeneration luftlandefähiger Fahrzeuge mit einheitlicher Plattform zu rüsten. Grundsätzlich sind zwei Luftlandeplattformen geplant: Eine mit Radfahrwerk (Unterstützungsfahrzeug) und eine mit Kettenlaufwerk (Gefechtsfahrzeug/ Luftbeweglicher Waffenträger).

Nach heutigem Stand wird die Division Schnelle Kräfte ab dem Jahr 2027 beginnend mit Unterstützungsfahrzeugen (zehn Rüstsatzvarianten) ausgestattet. Zur Vermeidung von Doppelausstattungen, Reduzierung des Ausbildungsaufwandes und zur Steigerung der Flexibilität ist zudem geplant, alle Varianten mit Anschlussmöglichkeiten für „Rucksackfunkgeräte“, Leistungsverstärkern und Antennensätzen auszustatten. Auf fest installierte Führungsmittel wird somit verzichtet. Dadurch wird auch der administrative Aufwand zum Konfigurieren der einzelnen Fahrzeuge minimiert. Die Kompatibilität mit der nächsten Generation von Führungsmitteln der Bundeswehr ist somit gewährleistet, Kosten werden signifikant reduziert. Die Luftlandetruppe ist in dieser Konfiguration ab- und aufgesessen uneingeschränkt in der Lage, im gesamten Entfernungsspektrum alle relevanten Kommunikationsräume abzudecken.

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Konzept Luftbeweglicher Waffenträger (Foto: IABG)

Die Ausstattung mit einem Luftbeweglichen Waffenträger ist wesentlicher Teil des Projektes „Luftlandeplattformen“. Ähnlich der aktuellen Fahrzeuggeneration Wiesel 1 werden die Luftbeweglichen Waffenträger zukünftig ebenfalls in zwei Varianten (Maschinenkanone und Panzerabwehr) ausgeplant. Derzeit wird unter anderem die Integration einer 27-Millimeter-Maschinenkanone, eines Mehrfachwerfers MELLS, eines aktiven und geteilten Kettenlaufwerkes sowie eines elektrischen Antriebes untersucht. Dementsprechend ist keine Fähigkeitslücke im Bereich der direkten taktischen Feuerunterstützung und der hochmobilen und weitreichenden Panzerabwehr absehbar.

Zukunftsentwicklung

Der landbewegliche Transport wird im Wesentlichen durch verschiedene Rüstsatzvarianten der Luftlandeplattform gewährleistet. Auch wenn diese Fahrzeuge zukünftig mit Lastenabsetzsystemen aus Transportflugzeugen verbracht werden können, besteht dennoch der Bedarf, die taktische Mobilität der abgesessen kämpfenden Kräfte durch leichte Systeme zu erhöhen. Die Fallschirmjägertruppe ist oft extremen physischen Belastungen ausgesetzt. Diese resultieren im Wesentlichen aus dem Transport von schweren Waffen, Munition, Verpflegung und der persönlichen Ausrüstung. Diese zusätzliche Ausrüstung kann im abgesessenen Einsatz nur bedingt durch die Luftlandeplattform transportiert werden. Hauptsächlich sind hier die Luftlandemörserzüge und die schweren Fallschirmjägerzüge mit Panzerabwehrlenkflugkörpersystem MELLS und Granatmaschinenwaffe betroffen. Aber auch der Aspekt des Transportes von Verwundeten bzw. von sonstigem Material stellt die abgesessenen Soldatinnen und Soldaten vor Herausforderungen und bindet nachhaltig Kräfte.

In diesem Kontext hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr mit Unterstützung der Gruppe Infanterie des Amtes für Heeresentwicklung eine Studie zum Einsatz von marktverfügbaren, unbemannten bodengebundenen Landfahrzeugen zur Unterstützung von abgesessen kämpfenden Kräften durchgeführt. Sowohl Handhabung, taktischer Nutzen als auch die Bedienbarkeit und Interaktion zwischen Soldat und unbemanntem System wurden im Rahmen der Studie als auch im praktischen Versuch äußerst positiv bewertet. Perspektivisch wird ein solches System den Einsatzwert der abgesessen kämpfenden Fallschirmjäger nachhaltig steigern.

Dabei sollen die Systeme sowohl teleoperiert (fernbedienbar) als auch teilautomatisiert den abgesessenen Fallschirmjägern folgen können. Das Projekt befindet sich gegenwärtig im Initiativstatus mit einer geplanten Realisierung im Jahr 2027.

Autor: Oberstleutnant Marcus Christoph, AHEntwg II 2 (1), Gruppe Infanterie, Teamleiter Team Fallschirmjäger