StartMobilitätSTH – „Eine gewünschte Germanisierung ist also auch bei FMS möglich“

STH – „Eine gewünschte Germanisierung ist also auch bei FMS möglich“

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Die Bundeswehr versucht seit längerer Zeit mit dem Projekt Schwerer Transporthubschrauber (STH) einen Nachfolger für die veralteten CH-53 zu beschaffen. Nachdem die Angebote der Hersteller als zu teuer bewertet wurden, läuft derzeit ein erneuter Anlauf, die Beschaffung über einen sogenannten Foreign Military Sales (FMS) abzuwickeln. Dabei würde die Bundesrepublik Deutschland die Hubschrauber praktisch direkt über die US-Regierung einkaufen.

Was das für die Verfügbarkeit von spezifischen Versionen der Chinook bedeutet hat Soldat & Technik mit Michael Hostetter, Vice President Boeing Defence Germany, Roger Gilles, Boeing Kommunikation Deutschland, EU & NATO sowie Paul Beuttenmuller, Boeing Global Sales & Strategy, in einer kürzlich geführten Videoschalte besprochen.

S&T: Deutschland prüft gerade eine Beschaffung über FMS, was bedeutet das für das CH-47 Modell im Sinne von Germanisierung, Sonderwünschen und Anpassungen?

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Hostetter: Das bedeutet Deutschland kauft direkt von Regierung zu Regierung durch den Foreign Military Sales Prozess. Für Deutschland heißt das, dass die U.S. Army auf eine Preis- und Verfügbarkeitsanfrage für den CH-47F Chinook geantwortet hat. Wenn diese Konfiguration gewünscht ist, können aber auch Modifikationen vorgenommen werden.

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Michael Hostetter
Michael Hostetter ist Vice President Boeing Defence Germany (Foto: Michael Hostetter)

Ich möchte hier auch noch einmal betonen, dass der CH-47F bereits weltweit im Einsatz ist. Dies führt zu geringeren Lebensweg- und Logistikkosten. Auch die Logistikunterstützung für das Luftfahrzeug ist weltweit größer. Aber nur weil es über FMS beschafft wird, bedeutet nicht, dass Boeing seinen Ansatz für eine enge Zusammenarbeit mit der deutschen Industrie einstellt. Denn die Luftfahrzeuge müssen nach wie vor kontinuierlich in Deutschland betrieben und gewartet werden. Daher wird Boeing auch in Zukunft weiter daran arbeiten, ein entsprechendes Konzept für die Unterstützung und den Betrieb der Chinook für die kommenden 30 bis 40 Jahre in Deutschland umzusetzen.

Natürlich kann der Nutzer Spezifikationen erfragen, wie die Integration einer Winde oder die Option der Luft-Luft-Betankung. FMS schließt dies nicht aus. Sollte die Bundeswehr solche Modifikationen vornehmen wollen, werden wir basierend auf unserer langjährigen Erfahrung mit der U.S. Army gewünschte Konfigurationen und kampferprobte Technologien liefern können. Eine gewünschte Germanisierung ist also auch bei FMS möglich.

Roger Gilles
Roger Gilles ist bei Boeing im Bereich Kommunikation für den Raum Deutschland, EU & NATO tätig (Foto: Roger Gilles)

Gilles: Ich möchte auch gerne noch einmal die herausragende Partnerschaft mit der deutschen Industrie hervorheben. Ein paar Anforderungen haben sich im Rahmen des FMS-Prozesses geändert, aber unsere Verpflichtung in Deutschland und Europa sind gleichgeblieben. Wir sind nach wie vor der transatlantischen Partnerschaft verpflichtet, in Bezug auf Deutschland und der Industrie. Wir haben starke Partnerschaftsvereinbarungen für den Chinook und andere Plattformen geschlossen. Und diese sind alle Teil unserer lokalen Wachstumsstrategie hier in Deutschland. Sollte FMS das Mittel der Wahl sein, wird sich daran nichts ändern. Wir sind bereit, auf unsere existierenden Partnerschaften aufzubauen und weitere notwendige Kooperationen für das CH-47 Programm einzugehen.

S&T: Was würde die Integration einer Winde, oder der Luftbetankungsmöglichkeit für die Zulassung der Chinook bedeuten? Müsste das Luftfahrzeug nach europäischen Vorschriften komplett neu zertifiziert werden?

Hostetter: Die U.S. Army wird den kompletten Zertifizierungsprozess im Rahmen der Entwicklung für den weiteren Kunden vorantreiben. Danach wird es an Deutschland liegen, ob sie diese Zertifizierung vollständig akzeptieren. In Bezug auf spezifische Details ist diese Frage besser an die U.S. Army gerichtet, da es sich hier wie besprochen um eine FMS-Vereinbarung handelt. Für uns ist aber ganz klar, dass wir bei jedem Schritt eng mit der U.S. Army und dem BMVg zusammarbeiten würden, basierend auf dem Weg, den von beiden Seiten festgelegt werden wird.

S&T: Sikorsky betont, dass Israel gerade in Berlin für eine gemeinsame bi-nationale Beschaffung des Konkurrenzproduktes geworben hat. Wo sehen Sie die Vorteile für die Chinook in Europa?

Hostetter: Im Einsatz bei 20 Nutzern weltweit, davon 8 NATO-Staaten, setzt der Chinook weltweit den Standard für einen Schweren Transporthubschrauber. Auch die U.S. Army hat unter anderem Chinooks in Deutschland stationiert. Mit den Niederlanden, Großbritannien, Spanien, Italien und Griechenland gehören fünf Europäische Staaten zu den 20 globalen Chinook-Betreibern. Ein enormer Vorteil für Deutschland. Zusätzlich ist der NATO-Partner Türkei ein Nutzer. Dadurch gibt es in Europa bereits eine breite logistische Basis für den Betreib des Chinooks. Auch gemeinsame Ausbildungen sind möglich. Das ist ein signifikanter Vorteil, auch im Vergleich zur CH-53K. Bei der K wären als Partner nur das U.S. Marines Corps und Israel verfügbar. Beim Chinook sind es weltweit 20 Nutzer und Partner, davon acht NATO-Alliierte. Das ist für mich ein echter Mehrwert.

Der zweite Punkt sind die 20 Nutzer weltweit und 950 Hubschrauber, die betrieben werden. Damit geht eine phänomenale Ausbildungs-, Logistik- und Lebenserhaltungsbasis einher. Überall kann der Nutzer Ersatzteile erhalten, seine Maschine warten oder reparieren. Die U.S. Army wird die Chinook bis mindestens 2060 betreiben. Daher weiß der Nutzer, dass er einen langen Lebenszyklus mit dem Luftfahrzeug gesichert haben wird. Es ist ungewiss, was mit der CH-53K passiert, wenn das U.S. Marines Corps seine 200 Maschinen erhalten hat.

S&T: Laut einem Artikel in Forbes, ist durch den Wegfall der Planung der U.S. Army für Block II, die Produktionsstraße in den USA in Gefahr. Wie bewertet Boeing dies?

Hostetter: Wir haben einige Kunden, mit denen wir eng zusammenarbeiten, und die uns helfen, die Produktion für die U.S. Army zu überbrücken. Die Produktion wird weiterlaufen. Wir werden sie so anpassen, dass sie auch weiterhin kosteneffektiv ist. Darüber hinaus bin ich sehr zuversichtlich, dass wir ebenfalls in der Lage sein werden, einige oder alle Fähigkeiten des Block II-Programms unseren internationalen Kunden anbieten zu können. Die Entscheidung darüber wird von Fall zu Fall und natürlich auf Basis der Kundenanforderungen getroffen werden. Bis dahin arbeiten wir weiterhin eng mit der U.S. Army und Regierung zusammen, um die nächsten Schritte im Block II-Programm zu planen. Ich bin zuversichtlich, dass Deutschland Block II-Fähigkeiten erhalten wird.

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„Wir haben einige Kunden, mit denen wir eng zusammenarbeiten, und die uns helfen, die Produktion für die U.S. Army zu überbrücken“, so Michael Hostetter, Vice President Boeing Defence Germany. (Foto: Boeing)

S&T: Das ursprüngliche Angebot für Deutschland basierte auf der kanadischen CH-147 bzw. der Extended Range-Version. Ist durch FMS auch diese Version nach wie vor eine Option?

Hostetter: Die U.S. Army nutzt derzeit die CH-47F Version. Hinzu kommt die MH-47G als Version für die Spezialkräfte. Sollte Deutschland eine Extended Range (ER) Version haben wollen, könnte eine solche Anfrage an die U.S. Army gestellt werden. Die U.S. Army würden diese Anfrage dann an Boeing weiterleiten und mit uns besprechen. Zweifelsohne besteht die Möglichkeit auch eine ER-Chinook für Deutschland zu bauen.

Paul Beuttenmuller
Paul Beuttenmuller ist bei Boeing in dem Bereich Global Sales & Strategy tätig (Foto: Paul Beuttenmuller)

Beuttenmuller: Ein weiterer großer Vorteil für den Chinook ist, dass wir eine aktive Produktionslinie haben und bekannt dafür sind, im Zeit- und Kostenrahmen zu liefern. Sollte sich Deutschland im Rahmen des FMS für den CH-47 Chinook entscheiden, können wir 36 Monate nach Vertragsabschluss die ersten voll funktionsfähigen Maschinen liefern. Das haben wir der Konkurrenz voraus. Wir können mit dem Chinook nicht nur derzeitige Fähigkeitsforderungen bedienen, sondern auch zukünftige.

Das Interview führte André Forkert.