StartTaktik & AusbildungGeneralist vs. Spezialist – Marines experimentieren mit neuen Ausbildungskonzepten

Generalist vs. Spezialist – Marines experimentieren mit neuen Ausbildungskonzepten

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Mit dem „Force Design 2030“ hat das U.S. Marine Corps (USMC) im März 2020 tiefgreifende Strukturänderungen vorgestellt, die die US-Marineinfanterie für mögliche Herausforderungen der 2030er Jahre wappnen sollen. Jüngst hat General David Berger, Befehlshaber des U.S. Marine Corps, mit dem „Force Design 2030 – Annual Update“ ein Dokument veröffentlicht, welches die bereits erzielten Fortschritte darlegt und den anstehenden Modernisierungsweg fortschreibt.

„Seit der Veröffentlichung des Force Design 2030 im März 2020 wurden beträchtliche Fortschritte gemacht, während wir in das zweite Jahr dieser 10-jährigen Modernisierungsinitiative eintreten“, schreibt das USMC in einer Pressemitteilung. Demnach wurden zahlreiche Einheiten neu aufgestellt bzw. umgegliedert und gleichzeitig andere nicht mehr benötigte Kräfte und Waffensysteme aufgelöst oder veräußert. Das Corps hat offenbar die letzten zwölf Monate dazu genutzt, die ins Auge gefassten Strukturänderungen tiefgehender zu analysieren und in kleinerem Rahmen zu testen. Die gesammelten Erfahrungen sollen nun in den Änderungsprozess einfließen. Gleichzeitig wurden weitere Untersuchungen angekündigt, die den weiteren Anpassungsbedarf der Marines evaluieren sollen. Einige der dieser Untersuchungen sollen die aktuelle Struktur der USMC-Infanteriebataillone sowie die Ausbildung der Ledernacken analysieren und den Änderungsbedarf prüfen.

In US-Fachmedien veröffentlichten Auszüge des Dokuments zufolge betrifft eine der Änderungen, die evaluiert werden, die Umstellung auf ein so genanntes Arms-Room-Konzept (auf Deutsch: Waffenkammerkonzept), bei dem die Waffensysteme der Weapons Company in die Linie verlagert werden und die Weapons Company aufgelöst werden würde.

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Die derzeitige Struktur eines USMC-Infanteriebataillons ist vergleichbar mit einem deutschen Infanteriebataillon. Neben mehreren leichten Infanteriekompanien soll eine schwere Kompanie – beim USMC „Weapons Company“ – die Feuerkraft der leichten Kompanien verstärken. Die Weapons Company verfügt dazu neben einem Mörserzug (81 mm) auch über einen Panzerabwehrzug und einen SMG-Zug (schweres Maschinengewehr). Derzeit durchlaufen die Marines eine Basisinfanterieausbildung und im Anschluss eine  auf den Dienstposten ausgerichtete Spezialistenausbildung.

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Berichten zufolge sollen nun drei der insgesamt über zwanzig USMC-Infanteriebataillone die nächsten zwei Jahre dazu nutzen, unterschiedliche Ansätze zu untersuchen, ob und wie das Arms-Room-Konzept am besten umgesetzt werden kann.

Unter anderem soll die derzeitig in der Spezialistenausbildung vermittelten Ausbildungsinhalte in die querschnittliche Infanterieausbildung einfließen. Dies würde zwar einerseits die Dauer der Basisinfanterieausbildung verlängern, aber andererseits die einzelnen Marines in die Lage versetzen, mehr als nur ein Waffensystem sicher bedienen zu können. Dies hätte den Vorteil, dass eine Einheit auf Grundlage der ihr zugewiesenen Mission selbst entscheiden könnte, welche Waffensysteme für die Auftragserfüllung mitgeführt werden. Aus Spezialisten würden Generalisten. Die Qualifikation des zur Verfügung stehenden Personals würde somit kein Einflussfaktor auf den Waffenmix der Einheit haben, da generell jeder Marine dazu befähigt wäre, die Waffen einzusetzen.

Dieser Schritt wird aus Sicht von Vertretern des USMC erst aufgrund des erheblichen technologischen Fortschritts der letzten Jahre möglich. So erlauben es beispielsweise moderne und intuitiv zu nutzende Zielvorrichtungen jedem Soldaten, Ziele in Entfernungen zu bekämpfen, welche noch vor wenigen Jahren nur durch absolute Spezialisten bekämpft werden konnten. Darüber hinaus verringern unterschiedliche technische Systeme / technische Lösungen die Komplexität von Waffensystemen. Dies führt dazu, dass auch technisch anspruchsvolle Waffensysteme – wie beispielsweise Panzerabwehrlenkflugkörpersysteme und Mörser– mit einem deutlich geringeren Ausbildungsniveau zielgerichtet zum Einsatz gebracht werden können.

Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit die Steh- und Verpflichtungszeiten der US-Marines verlängert werden und ob einzelne Dienstposten höher dotiert werden sollen. Die Kombination dieser Maßnahmen soll die Professionalität der USMC-Infanterie steigern und diese besser auf die komplexen Anforderungen zukünftiger Gefechte vorbereiten.

Waldemar Geiger