Andere Länder, andere Sitten, so ein Sprichwort. Dies gilt weitestgehend auch für den militärischen Bereich. Und dort auch für den Bereich Ausrüstung und Beschaffung. In den westlichen Staaten, und speziell Deutschland, muss alles eine Eierlegende Wollmilchsau, eine 120- oder sogar 140-Prozent-Lösung, sein. Multifunktional sein, die letzten und heißesten technischen Ausstattungsmerkmale besitzen und vieles mehr. Dies führt dann aber oft zu deutlichen Preissteigerungen und zu sehr langen Entwicklungszeiten.
Eigentlich hat auch die Bundeswehr seit Jahren vor, nur Fähigkeitsforderungen aufzustellen, um danach das zu beschaffen was marktverfügbar ist. Oft wird davon aber nach wie vor abgewichen. Ob man so die Kriegstauglichkeit erreichen kann, ist fraglich. Denn gerade im Krieg wird mehr von allem benötigt, schneller und vor allem mit weniger Ressourcen. Russland war immer schon ein gutes Beispiel, wie man aus wenig viel macht. Laut aktuellen russischen Medien wird dieser Weg auch heute noch verfolgt, mit einfachen, aber preiseffektiven und nutzerfreundlichen Lösungen.
Ein Beispiel ist der PZM-2, eine Grabenfräse für die Pioniertruppen der Armeen des Warschauer Vertrages, die seit 1968 produziert wurde. Die Erdbewegungsmaschine, eingesetzt auf Regimentsebene, wurde auf Basis des im Werk Charkow hergestellten Radtraktors HTZ T-155 entwickelt. Die PZM-2 wird zur Vorbereitung von Checkpoints, Beobachtungsposten sowie zum Ausheben von Gräben für die Infanterie oder Herstellen von Hemmnissen und Sperren eingesetzt. Die Leistung der PZM-2 beim Ausheben von Gräben beträgt bis zu 180 Meter pro Stunde, die maximale Kolonnenmarschgeschwindigkeit beträgt 45 km/h und das Betriebsgewicht 12,8 Tonnen.
Nachfolger PZM-2 aus Belarus
Der PZM-2 wird schon lange nicht mehr hergestellt und ist technisch veraltet. Dennoch ist das Muster bei den Pionieren vieler ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten immer noch im Einsatz. Nun hat das das belarussische Unternehmen Svyatovit, dessen Maschinenwerk sich in der Region Witebsk befindet, eine neue Erdbewegungsmaschine für die Streitkräfte der Republik Belarus entwickelt. Diese trägt die Bezeichnung VTM-1 (Militärgrabenfahrzeug) und basiert auf dem Radtraktor Belarus-2022.3 des Minsker Traktorenwerks. Belarus-2022.3 ist ein landwirtschaftlicher Allzwecktraktor (Traktionsklasse 3.0, so die russische Nomenklatur), der mit einem Dieselmotor MMZ D-260-4S2 mit einer Leistung von 212 PS ausgestattet ist.
Am Heck des mit einem Kriechgang ausgestatteten Traktors wurde ein Arbeitselement mit hydraulischem Antrieb der Kette und Schnecke mit automatischer Rückwärtsbewegung installiert. Der VTM-1 verfügt über ein integriertes elektronisches Steuerungssystem zur Verfolgung der Bewegungsbahn und einer Fernbedienung. Die Grabentiefe beträgt 120 Zentimeter, die untere Breite beträgt 65, die obere 90 Zentimeter und die Arbeitsleistung beläuft sich laut russischer Medien auf bis zu 150 Kubikmeter pro Stunde.
An der Vorderseite des Traktors ist ein 2,5 Meter breites Planierschild angebracht (Schnittwinkel bis 30 Grad, maximale Eindringtiefe in den Boden 30 Zentimeter). Das Planierschild des VTM-1 dient zum Nivellieren der Baustelle und zum Verfüllen von Gräben (Überschreitfähigkeit). Darüber hinaus ist an der Fahrzeugfront des Traktors eine Winde mit einer Zugkraft von neun Tonnen und einer Seillänge von 50 Metern verbaut. Diese wird zum Bergen anderer Fahrzeuge, Bewegen von z.B. Baumstämmen (-sperren) zum Betrieb der Fräse in gefrorenen Böden und zur Selbstbergung genutzt. Das Betriebsgewicht des VTM-1 beträgt 11,5 Tonnen, die maximale Marschgeschwindigkeit 40 km/h.
Die Erdbewegungsmaschine VTM-1 wurde auf einer russischen Militärausstellung (Armee-Forum) gezeigt, und Russlands Streitkräfte sollen Interesse gezeigt haben. Ein Autor bedauerte sogar, dass diese Art Ausrüstung nicht in Russland gebaut würde. Auf jeden Fall ist es ein gutes Beispiel, wie aus einem COTS-(Commercial-of-the-Shelf)-Produkt eine militärische Fähigkeit kreiert werden kann, die einfach, schnell und kosteneffektiv zur Verfügung steht.
So sieht Kriegstauglichkeit aus, denn Dual-Use-Produkte wird es auch während eines Konfliktes weiter in großer Stückzahl geben. Aber auch im Westen gibt es diesbezüglich erste Nutzer, hier vor allem in Skandinavischen Raum. Finnland und Schweden setzen entsprechende Traktoren mit Zubehör bei den Pionieren und der Infanterie schon ein.
Andre Forkert