Die U.S. Army hat am Dienstag vergangener Woche, 20. Mai, das X für „experimental“ aus der Bezeichnung der bisher als Gewehr XM7 und leichtes Maschinengewehr XM250 geführten Waffen des Next Generation Squad Weapons (NGSW)-Projekts gestrichen. Damit sind beide nun offizielle Dienstwaffen im Serienstandard. Bereits seit März vergangenen Jahres werden sie bei Einheiten mit Nahkampfauftrag (Close Combat Force) eingeführt, zuerst bei der 101st Airborne Division. Dort sollen sie den Karabiner M4 und die M249 Squad Automatic Weapon im Kaliber 5,56 x 45 mm NATO ersetzen.

Die jetzigen M7 und M250 sind dagegen für das neue Kaliber 6,8 x 51 mm eingerichtet. Waffen und Munition wurden von SIG auf Grundlage der von der Army vorgegebenen 6.8 mm General Purpose Round (GPR) entwickelt. Die Patronen haben eine Hybrid-Metallhülse aus einem Messingkörper und einer Basis aus rostfreiem Stahl, verbunden durch eine Aluminiumscheibe. Diese Konstruktion reduziert einerseits das Patronengewicht im Vergleich zu einer konventionellen Konstruktion um etwa 20 Prozent. Rostfreier Stahl erlaubt zudem eine höhere Streckgrenze und ermöglicht somit höhere Kammerdrücke.
Next Generation Squad Weapon steht in der Kritik
In der Tat soll die Kammerdruckgrenze der neuen Gefechtspatrone bei maximal 80.000 PSI beziehungsweise 551 MPa liegen. Hinzu kommt noch ein Feuerleitsystem. Die Kombination soll mit höherer Präzision höhere Wirkung auf höhere Reichweiten auch gegen mit modernen Schutzwesten ausgestattete Gegner erreichen. Allerdings gab es in einem Studienpapier kürzlich heftige Kritik eines Army-Offiziers am System NGSW. Laut Captain Braden Trent leidet dieses an Zuverlässigkeitsproblemen, einschließlich Hülsenreißern, übermäßigem Rohrverschleiß und regelmäßigem Versagen wichtiger Teile durch die hohen Betriebsparameter.
Trent bemängelte bei der Präsentation seiner als Austauschstudent an der Expeditionary Warfare School des U.S. Marine Corps entstandene Arbeit zudem Masse und Rückstoß der Waffen. Auch anderswo wird kritisiert, dass das System praktisch eine Rückkehr zum Prinzip der großkalibrigen „Battle Rifle“ und das M7 schlicht „ein halbes M14“ im Kaliber 7,62 x 51 mm aus den 1950er Jahren sei. Nachdem diese von leichteren Sturmgewehren im mittlerweile ausgereiften und bewährten Kaliber 5,56 mm abgelöst wurde, erliege die U.S. Army gerade dann wieder ihrem Fetisch für wirksameres Feuer von Einzelschützen, als die Entwicklung von Infanteriegefechten auf niedriger taktischer Ebene wieder zum Gefecht der verbundenen Waffen zurückgehe.
Änderung des Kriegsbilds
Tatsächlich entstanden die Vorgaben für NGSW insbesondere auf Grundlage von Erfahrungen in Afghanistan und anderen Schauplätzen des „War on Terror“. Gegnerische Kräfte hatten dort im gebirgigen oder Steppengelände durch verstärkten Einsatz von Waffen im sowjetischen Kaliber 7,62 x 54 mm wie Maschinengewehren der PK-Serie oder dem Scharfschützengewehr Dragunow häufig einen Reichweitenvorteil gegenüber den US-Waffen im Kaliber 5,56 mm. Der Einsatz schwerer Waffen war dagegen aus politischen Gründen beschränkt.
Mit dem Ukraine-Krieg und der Rückkehr zum Fokus auf die hochtechnisierte Kriegführung zwischen ebenbürtigen Gegnern sinkt dagegen der Stellenwert von Infanteriekämpfen wieder. Während der Gegner hier auf große Entfernung mit schweren Waffen bekämpft werden kann und auch soll, kommt die persönliche Waffe des Einzelschützen vor allem beim Nehmen und der Verteidigung von Stellungen auf kurze Entfernung zum Einsatz. Wie heißt es doch: Militärs bereiten sich immer darauf vor, den letzten Krieg nochmal zu führen.
Stefan Axel Boes