StartBewaffnungHK416 A8: Bundeswehr darf Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs von Heckler & Koch...

HK416 A8: Bundeswehr darf Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs von Heckler & Koch fortführen

Waldemar Geiger

Print Friendly, PDF & Email

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Klage von C.G. Haenel zurückgewiesen und damit bestätigt, dass die schlussendliche Auswahlentscheidung der Bundeswehr zugunsten des HK416 A8 von Heckler & Koch rechtmäßig war. Dies geht aus der heutigen Urteilsverkündung des Gerichts hervor.

Ursächlich für die Entscheidung war wohl die Ansicht des Gerichts, dass der Ausschluss von C.G. Haenel aufgrund einer Patentverletzung von Heckler & Koch rechtmäßig gewesen ist. „Die Antragsgegnerin [Bundesministerium für Verteidigung] hat die Antragstellerin [C.G. Haenel] zu Recht wegen schwerer beruflicher Verfehlung in Gestalt einer vorwerfbaren Patentverletzung ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin hat durch die von ihr eingeholten Gutachten eine Verletzung des Europäischen Patents EP 2 018 508 B 1, dessen Inhaberin die Beigeladene [Heckler & Koch] ist, durch das von der Antragstellerin angebotene Sturmgewehr MK 556 nachgewiesen“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung des Oberlandesgericht Düsseldorf.

Die Bundeswehr beabsichtigt, das aktuelle Sturmgewehr vom Typ G36 zu ersetzen und hat dazu 2017 einen Teilnahmewettbewerb für rund 120.000 neue Sturmgewehre gestartet. Schlussendlich ist das HK416 A8 von Heckler & Koch als Sieger aus der Vergleichswettbewerb hervorgegangen. Da der aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossene Anbieter C.G. Haenel einen Rechtsweg beschritten hat ruhte der derzeitige Vergabeprozess.

Mit der heutigen Entscheidungsverkündung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf kann das Beschaffungsvorhaben nun weiter fortgeführt werden. Sollte die Bundeswehr weiterhin eine Beschaffung des Systems Sturmgewehr Bundeswehr anstreben, wird das Bundeswehrbeschaffungsamt BAAINBw in entsprechende Verhandlungen mit Heckler & Koch treten und die finalen Lieferkonditionen aushandeln. Die ausgehandelten Konditionen werden den entsprechenden Ausschüssen des Bundestages in Form einer sogenannten 25-Mio-Vorlage zur Billigung vorgelegt. Dies kann aufgrund der Sitzungspause des Bundestages im Sommer frühestens im September erfolgen. Erst nach erfolgter parlamentarischer Befassung kann ein Liefervertrag mit Heckler & Koch geschlossen werden.

Im Anschluss müsste Heckler & Koch eine entsprechende Anzahl an Erprobungsmustern des HK416 A8 für die Einsatzerprobung in der Bundeswehr liefern. Ursprünglich waren dafür 390 Sturmgewehre veranschlagt, S&T berichtete. Es war geplant mit der Einsatzerprobung für die einzelnen Varianten (kurzes und langes Rohr) des neuen Sturmgewehres rund ein halbes Jahr nach dem Vertragsschluss zu Beginnen. Die Tests sollten dann nach etwa einem Jahr abgeschlossen werden. Während der Erprobung werden die funktionalen Forderungen gegen die vorhandenen Waffen sowie die logistischen Aspekte des Systems überprüft. Im Zuge des Prozesses kann es auch dazu kommen, dass leichte Änderungen am System vorgenommen werden müssen, so dass der endgültige Konstruktionsstand der finalen Serienwaffe erst nach Abschluss der Einsatzerprobung sichtbar wird. Die Einsatzerprobung endet mit einer Übernahmeerklärung der Streitkräfte.

Knapp eineinhalb bis zwei Jahre nach Vertragsschluss sollten dann die ersten der insgesamt 118.718 georderten Sturmgewehre in die Truppe kommen. Die Gesamtdauer für die Umstellung der Waffen sollte über ein halbes Jahrzehnt in Anspruch nehmen, da in der Ausschreibung eine jährliche Liefermenge von bis zu 20.000 Gewehren vorgesehen war.

Ob und inwieweit die Bundeswehr die Zeitpläne anpassen wird, ist derzeit nicht bekannt.

Historie Ausschreibung System Sturmgewehr Bundeswehr

Am 21. April 2017 begann die europaweite Ausschreibung der G36-Nachfolge. Etwa 120.000 Sturmgewehre und entsprechendes Zubehör will die Bundeswehr beschaffen. Nach ursprünglicher Planung sollten die Verträge im ersten Halbjahr 2019 geschlossen werden. Der Auftragswert wurde zunächst auf 245 Millionen Euro geschätzt.

Über potentielle Bewerber hüllte sich sowohl Bundeswehr als auch Teile der Industrie in Schweigen. Bekannt ist, dass SIG Sauer (SIG MCX) und Rheinmetall/Steyr (RS556) zwar ursprünglich ein Interesse an der Ausschreibung bekundet haben, aber schlussendlich aus unterschiedlichen Gründen nicht an dem Auswahlverfahren teilnahmen. Daneben soll auch Lewis Machine & Tool Company (LMT), ein US-amerikanischer Handwaffenhersteller, ebenfalls eine Interessenbekundung abgegeben aber nicht am Auswahlverfahren teilgenommen haben. Dem Vernehmen nach haben C.G. Haenel und Heckler & Koch Angebote eingereicht. Es gilt als wahrscheinlich, dass Haenel mit dem MK556 und Heckler & Koch mit dem HK416 und dem HK433 ins Rennen gegangen sind. Der Sprecher von Heckler & Koch hat bis jetzt nur in einem Interview mit einer regionalen Online-Zeitung bestätigt, dass das Unternehmen sich mit zwei Waffen um die G36-Nachfolge beworben hat.

Im Oktober 2018 wurde bekannt, dass keine der eingereichten Waffen die geforderten Kriterien erfüllten. Den Herstellern wurde eine Frist bis zum Februar 2019 für Nacharbeiten eingeräumt. Die Erprobungen der nachgebesserten Waffen begann 18. Februar 2019 und wurden nach modifizierter Planung im Herbst 2019 abgeschlossen. Am 08. November 2019 legte die WTD 91 in einem Abschlussbericht dar, dass alle vorgestellten Waffen die Prüfungen erfolgreich bestanden haben.

Oktober 2019 wurde seitens der Bundeswehr eine Beschaffungsentscheidung für das Ende des zweiten Halbjahres 2020 in Aussicht gestellt. Im Mai 2020 wurde dann eine Verschiebung der Entscheidung in den Zeitraum Oktober/November 2020 bekanntgegeben. Schlussendlich hat das Bundesministerium der Verteidigung am 15. September 2020 bekanntgegeben, dass die Auswahlentscheidung für die Nachfolge des G36 zugunsten des thüringischen Waffenherstellers C. G. Haenel gefallen ist, was wiederum den Startschuss für einen juristisches hin und her gegeben hat. Diese Auswahlentscheidung musste kurze Zeit später wieder revidiert werden. In einem fast zwei Jahre andauernden Hergang – indem sich die Rechtsauffassung des Bundes mehrmals geändert hat, hat sich am Ende herauskristallisiert, dass das HK416 A8 von Heckler & Koch als Sieger aus der Vergleichswettbewerb hervorgegangen ist.

Waldemar Geiger