Der baltische Staat Lettland hat 2023 angesichts der Bedrohung durch Russland die 2007 abgeschaffte Wehrpflicht für Männer wieder eingeführt. Das verwendete System hat allerdings Ähnlichkeiten mit den skandinavischen Modellen, bei denen Wehrpflichtige erst dann in begrenztem Umfang eingezogen werden, wenn es nicht genug Freiwillige gibt. Frauen können sich ebenfalls freiwillig zum Wehrdienst melden. Dieser umfasst dann entweder eine zusammenhängende Dienstzeit von elf Monaten bei den aktiven Streitkräften oder der Nationalgarde, oder eine insgesamt fünfjährige Verpflichtung bei der Nationalgarde oder dem Reserveoffizier-Ausbildungsprogramm für Studenten.

Wehrpflichtig sind grundsätzlich alle nach dem 1. Januar geborenen männlichen Staatsbürger im Alter von 18 bis 27 Jahren. Neben medizinisch Untauglichen gibt es unter anderem Ausnahmen für alleinerziehende Väter, Erziehungsberechtigte von behinderten Kindern, pflegende Angehörige, für schwere Verbrechen Vorbestrafte sowie Mehrfach-Staatsangehörige, die bereits Wehr- oder Ersatzdienst in einem anderen Land geleistet haben. Im Ausland lebende Letten, die ihren Wohnsitz entsprechend registriert haben, sollen nicht vor 2027 eingezogen werden. Verweigerer aus religiösen oder Gewissensgründen können einen Ersatzdienst leisten.
Lettland bietet Vorteile für Freiwillige
Männer können innerhalb von zwölf Monaten nach ihrem 18. Geburtstag oder Abschluss der Schul- oder Berufsausbildung, spätestens aber nach dem 24. Geburtstag eingezogen werden. Ein Studium ist kein Ausnahmegrund, kann aber zur Verschiebung einer Einberufung führen. Die Registrierung für den freiwilligen elfmonatigen Wehrdienst steht allen Männern und Frauen von 18 bis 27 zweimal im Jahr offen, für die fünfjährigen Verpflichtungen einmal im Jahr. Bei der Nationalgarde umfasst diese Verpflichtung maximal 21 Tage Einzelausbildung und sieben Tage Gemeinschaftsausbildung im Jahr, beim Reserveoffizier-Ausbildungsprogramm insgesamt 180 Tage innerhalb des Gesamtzeitraums.
Gegenüber eingezogenen Wehrpflichtigen genießen freiwillig Wehrdienstleistende diverse Vorteile. Insbesondere erhalten sie 600 statt 300 Euro Wehrsold pro Monat. Zudem können sie angeben, mit welchen Freunden sie zusammen dienen möchten. Die Streitkräfte bemühen sich, diese Wünsche im Rahmen des Möglichen zu erfüllen und die Freiwilligen heimatnah zu verwenden. Die fünfjährigen Verpflichtungen werden pro Diensttag bezahlt, nach Abschluss gibt es einen Bonus von 1.100 Euro. Alle Wehrdienstleistenden erhalten außerdem 200 Euro Kindergeld pro Kind und Monat. Freiwillige können nach ihrer Dienstzeit kostenlos studieren, während sonst Studiengebühren anfallen.
Melden sich nicht genug Freiwillige für den Bedarf, werden zusätzlich Wehrpflichtige nach dem Zufallsprinzip von einer Software ausgewählt, jedoch mindestens einer pro Gemeinde sofern verfügbar. Die Benachrichtigung erfolgt über die offizielle E-Mail-Adresse, die jeder lettische Staatsbürger bis auf wenige Ausnahmen per Gesetz erhält, andernfalls per Einschreiben an die Meldeadresse. Nach Ende der Dienstzeit werden sowohl Freiwillige als auch Wehrpflichtige Teil der Reserve. Die lettischen Streitkräfte umfassen derzeit knapp 18.000 aktive Soldatinnen und Soldaten sowie 38.000 Reservisten. Derzeit wird auch neue Ausstattung beschafft, so der Schützenpanzer ASCOD.
Stefan Axel Boes