Die Bundeswehr hat derzeit einen Engpass beim „Gefechtshelm springende Truppenteile“ (GefH spr Trt), wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Marcus Faber und Alexander Graf Lambsdorff sowie der Fraktion der FDP hervorgeht, die der S&T vorliegt. Eine Folge des Mangels: Nicht jeder Soldat, dem ein sogenannter Springerhelm zusteht, bekommt diesen.
Gefechtshelm springende Truppenteile
Der GefH spr Trt ist der einzige Helm der Bundeswehr, der für den Fallschirmsprung mit automatischer Auslösung zertifiziert ist, daher gehört er zum Ausstattungssoll der Luftlandetruppe sowie der Spezialkräfte der Bundeswehr. Dieser sogenannte Springerhelm wird sowohl für die Inübhaltung der aktiven Springer, als auch für die Ausbildung neuer Soldaten zum Fallschirmspringer benötigt. Auch im Falle eines Einsatzes der Luftlandetruppe – beispielsweise im Rahmen der nationalen Krisenvorsorge – könnten die Soldaten nur mit diesem Helm mittels Fallschirmsprung in den Einsatz verbracht werden.
Der Antwort der Bundesregierung zufolge sind nur noch etwa 380 Springerhelme ausgabefähig im Lager der Bw Bekleidungsmanagement GmbH vorhanden, obwohl 2021 fast 680 der rund 9.000 an die Truppe ausgegebenen Helme zum Tausch beziehungsweise zur Instandsetzung anstehen und mehr als 600 Teilnehmer für den Fallschirmspringerlehrgang eingeplant sind, die ebenfalls einen Anspruch auf einen Springerhelm haben. Somit werden nicht alle Soldaten für den Lehrgang und danach mit einem entsprechenden Helm ausgerüstet werden können.
Damit die Ausbildung trotz des Engpasses erfolgen kann, wurde zumindest für die Lehrgangsteilnehmer ein Gemeinschaftsbestand an Helmen aufgebaut. „Zur Sicherstellung der Ausbildung und Inübhaltung wurde an der Luftlande-/Lufttransportschule ein Pool mit 30 GefH spr Trt für die Soldatinnen und Soldaten, die nicht über einen eigenen Helm verfügen, eingerichtet“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort.
Wie aus der Antwort weiter hervorgeht, ist der Engpass aufgetreten, nachdem der Hersteller des Helm-Verschlusssystems die Produktion dieser Teile ohne Vorankündigung eingestellt hat. Diese werden jedoch im Rahmen der periodischen Instandsetzungsmaßnahmen benötigt. Nach Angaben der Bundesregierung werden die Helme turnusmäßig alle vier Jahre instandgesetzt. Dabei wird auch das Riemensystem ausgetauscht und defekte Verschlüsse ersetzt.
Um das Problem zu lösen, wurden offenbar aus Kunststoff bestehende Schnellverschlüsse – der Originalverschluss besteht aus Metall – als eine mögliche Alternative getestet und verworfen, da bei niedrigen Temperaturen Verschluss-Brüche auftraten und es zudem bei Zugversuchen zu ungewollten Öffnungen gekommen ist.
Derzeit wird weiter an Alternativen gearbeitet, die im Erfolgsfall im vierten Quartal dieses Jahres verfügbar sein könnten. „Mittlerweile wurden Prototypen des Riemensystems mit einem Verschlusselement eines weiteren Herstellers angefertigt, das in seinen Eigenschaften (Werkstoff, Verstärkung der Haltekraft bei Zug, Bedienung) dem originären Verschluss sehr nahekommt“, schreibt die Bundesregierung. Die Erprobung des alternativen Verschlusses findet derzeit statt, mit einem Ergebnis wird im August gerechnet.
Gefechtshelm Spezialkräfte schwer Zwischenlösung
Auch eine nachträgliche Zulassung des „Gefechtshelms Spezialkräfte schwer Zwischenlösung“ (GefH ZwiLö) für den automatischen Fallschirmsprungeinsatz kommt als Alternative in Betracht. „Derzeit erfolgt eine Abstimmung mit dem Nutzer, ob infolge der aktuellen Verzögerungen bei der Instandsetzung der GefH spr TRt eine nachträgliche Zulassung des GefH ZwiLö für den Fallschirmsprung angezeigt ist“, so die Bundesregierung.
Die Bundeswehr hat Ende 2019 rund 5.000 dieser Helme für die Kräfte der VJTF 2023 sowie Kräfte der Nationalen Risiko- und Krisenmanagementvorsorge bestellt, S&T berichtete. Der Antwort der Bundesregierung ist nun zu entnehmen, dass bereits 1.000 dieser Helme geliefert wurden und zu fast drei Vierteln an die Truppe ausgegeben wurden. Weitere Helme sollen im August (1.500) und September (2.453) geliefert werden. Darüber hinaus wurde mittlerweile auch die Option über 10.000 zusätzliche Helme dieses Typs gezogen. Die Auslieferung soll demnach Ende 2021 beginnen. Damit werden die Kampf- und die Kampfunterstützungskräfte der VJTF 2023 ausgestattet.
Rund die Hälfte der Helme des ersten Loses sind für das Heer vorgesehen, 1.564 davon für so genannte springende Verbände, wozu neben einigen Truppenschulen unter anderem die Verbände der Division Spezielle Operationen gehören. Dort sollen die Helme der Bundesregierung zufolge bei Soldatinnen und Soldaten mit erweiterter Grundbefähigung, Joint Fire Support Teams, Wiesel-TOW-Kräften und Mörserkräften zum Einsatz kommen. Obwohl diese Kräfte ebenfalls mittels Fallschirmsprungeinsatz in den Einsatzraum verbracht werden können, „wurde eine Zulassung zum Fallschirmsprung zunächst nicht verfolgt“. Ziel war offenbar nur, eine „Zwischenlösung für einen drohenden Fähigkeitsverlust“ zu finden, damit die generelle Einsatzfähigkeit der Truppenteile, die zum Tragen von aktiven Kapselgehörschutzlösungen berechtigt sind, nicht gefährdet ist. „Der Fallschirmsprungdienst wird über das vorhandene Helmsystem für den Sprungdienst sichergestellt“, schreibt die Bundesregierung.
Unpraktische Lösung
In der Praxis bedeutet dies, dass die Fallschirmjäger nach erfolgtem Absprung im Einsatzgebiet den Springerhelm am Boden ablegen und den – wie auch immer in den Einsatz verbrachten – „Gefechtshelm Spezialkräfte schwer Zwischenlösung“ anlegen müssten. Was auch immer bei der Erarbeitung dieser Zwischenlösung im Fokus stand, der praktische Einsatz war es offenbar nicht.
Denkbar ist allerdings eine Nachzertifizierung des Helms. Dazu schreibt die Bundesregierung: „Eine nachträgliche Zulassung dieses bereits gelieferten Gefechtshelmes für den Fallschirmsprung hätte unter Beachtung des vorliegenden Konstruktionsstands zu erfolgen. Dieser umfasst einen relativ filigranen Kunststoffverschluss des Kinnriemens sowie eine Auslösevorrichtung, die bei Belastung den Kinnriemen löst. Sofern der Gefechtshelm als Ausrüstungsartikel nicht im Rahmen der erteilten Musterzulassung des Fallschirmsystems betrieben werden kann, ist bei der Feststellung der Nichtbeeinträchtigung der Verkehrssicherheit des Fallschirmsystems eine nachträgliche Zulassung durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr grundsätzlich möglich.“
Welche Lösung auch immer gewählt wird: Es ist Eile geboten, damit die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nicht gefährdet wird. Denn die Luftlandetruppe wird noch einige Jahre mit diesen Helmlösungen auskommen müssen, bis mit dem „Gefechtshelm Streitkräfte“ ein neuer, querschnittlich nutzbarer und auch für den Fallschirmsprung zugelassener Gefechtshelm für alle Truppenteile der Bundeswehr eingeführt wird.