Der plattformgebundene Einsatz der Wärmebildtechnologie – beispielsweise in Kampf- und Schützenpanzern – erfolgt seit jeher tageszeitunabhängig. Denn Richtschützen und Kommandanten stellten bereits kurz nach Einführung der Technologie in die Gefechtsfahrzeuge fest, dass Wärmebildgeräte nicht nur die Nachtkampffähigkeit sicherstellen, sondern auch Vorteile bei der Detektion von Gefahren und Zielen am Tag bieten. So lassen sich beispielsweise optisch getarnte Feindfahrzeuge mittels Wärmebildtechnik viel früher und einfacher aufklären.
Der plattformungebundene, also infanteristische Einsatz dieser Technologie erfolgte dagegen fast ausschließlich für den Nachtkampf. Gründe hierfür waren insbesondere die Größe, das Gewicht sowie der Energieverbrauch von Wärmebildoptiken. Diese führten in der Vergangenheit dazu, dass die Nachteile der infanteristischen Nutzung der Technologie die Vorteile überlagerten. Dies habe sich dank des technologischen Fortschrittes allerdings geändert, sagt Ralph Wilhelm, Vertriebsleiter der VECTED GmbH, im Gespräch mit Soldat & Technik. Die in Franken ansässige VECTED ist ein Spezialist für Wärmebildtechnik, Ballistikrechner sowie Head-up-Displays. Das Unternehmen fungiert als Zulieferer für viele renommierte Rüstungsunternehmen, die die VECTED-Produkte in Vorsatzgeräten und Kameras (handgehalten und plattformgebunden) einsetzen.
Fortschritte in der Produktionstechnik sowie Skalierungseffekte – die Technologie setzt sich zunehmend auch außerhalb des militärischen Nutzungsbereichs durch – der letzten zehn Jahre haben sowohl zu einer Miniaturisierung, als auch Preissenkungen von Wärmebildgeräten geführt. „Das Auflösungs-zu-Preis-Verhältnis hat sich deutlich verbessert und die Akkus sind deutlich leistungsfähiger geworden“, so Wilhelm. Weiterhin verweist er darauf, dass die Entwicklungskurve der Wärmebildtechnologie noch sehr steil sei, im Gegensatz zu Restlichtverstärkern, deren technologische Entwicklung seiner Ausführung nach bereits nahezu gesättigt ist.
Wilhelm ist überzeugt davon, dass die Zeit reif ist, diese technologischen Entwicklungsschritte auch in taktische Vorteile für die Streitkräfte umzumünzen. So sind seiner Meinung nach beispielsweise handgehaltene Beobachtungsgeräte leistungsfähig und gleichzeitig klein genug, um während eines Beobachtungshaltes in der Annährung eine gut getarnte feindliche Sicherung aufzuklären. Die vom Gegner emittierte Körperwärme würde vom Wärmebildgerät sofort angezeigt. Ohne entsprechende Technik ist der Angreifer in solchen Szenarien immer dem Verteidiger unterlegen. Der Einsatz der Wärmebildtechnologie – besonders dann, wenn der Gegner entweder über keine solche Technologie verfügt oder nur auf leistungsschwächere Geräte zurückgreifen kann – könnte die Situation jedoch umkehren.
Eine andere taktische Situation, in denen Wärmebildoptiken Vorteile am Tag mit sich bringen könnten, ist die Aufklärung von feindlichen Scharfschützenstellungen. „Alles was eine direkte Sichtlinie hat, ist mittels Thermographie erkennbar“, sagt Wilhelm. Selbst gut getarnte Scharfschützen strahlen selbst Wärme ab und müssen Rohr- und Signaturreduzierer „exponieren“. Spätestens nach dem ersten Schuss würden sich diese im thermographischen Bild deutlich von der Umgebung abheben. Eine Bekämpfung der feindlichen Scharfschützenstellung könnte so unmittelbar eingeleitet werden, bevor die Soldaten einen Stellungswechsel durchführen oder weitere Schüsse abgeben können.
Qualitätsunterschiede der Wärmebildtechnik
Der VECTED-Vertreter verweist jedoch darauf, dass es auf diesem Technologiefeld erhebliche Qualitätsunterschiede gibt und der einfache Abgleich von Angaben auf den Datenblättern nicht ausreicht, um „die Spreu vom Weizen zu trennen“. Speziell die Punkte Nutzerbedienung und Bildqualität seien Merkmale, die auf dem Datenblatt nicht abgebildet werden könnten aber besonders relevant für die Leistungsfähigkeit eines Produktes seien.
Wilhelm vergleicht diese Punkte mit alltäglichen Produkten. So hätten unterschiedliche Fernseher in einem Elektroladen fast alle die gleichen Angaben was Bilddiagonale, Auflösung und Stromverbrauch angeht. Betrachte man aber zwei Fernsehbilder nebeneinander, werde man sofort Unterschiede in der Bildqualität zwischen günstigen und Premiumprodukten feststellen können. Da es für die Messung der Bildqualität keine technischen Spezifikationen gibt, kann eine Beurteilung praktisch nur durch eine aktive Endnutzereinbindung erfolgen.
Praktisch alle Hersteller von Wärmebildgeräten haben laut Wilhelm Zugang zu denselben Hardwarekomponenten. Leistungsunterschiede können daher fast ausschließlich softwareseitig erzielt werden. Genau hier liegen nach eigener Auskunft die Stärken von VECTED.
Die Franken sind überzeugt, dass ihre Produkte keinen Vergleich in puncto Bildqualität scheuen müssen und beabsichtigen, ihren Vorsprung mittels Rückgriff auf künstliche Intelligenz noch weiter auszubauen. „Wir sehen neuronale Netzwerke als integralen Bestandteil unserer Systeme an“, erklärt Wolfgang Pfab, Director Technology bei VECTED. Die Algorithmen sollen sowohl der Verbesserung der Bildqualität als auch der Vereinfachung der Gerätebedienung dienen. Das Gerät soll „dem Nutzer ein optimiertes Bild präsentieren“, erklärt Pfab weiter. Erreicht wird dies beispielsweise durch lokale Kontrastanpassungen. „Heißes Wetter und Regen sind der Benchmark“ für eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit guter Wärmebildtechnik, so Pfab.
Eine ähnliche Rolle kommt Wilhelms Aussagen nach der Bedienung durch den Nutzer zu. Die Gerätebedienung muss daher so ausgelegt sein, dass sie in Stresssituationen intuitiv und zielgerichtet funktioniert. Das beginnt bei der Ausgestaltung der Tasten und endet bei der eigentlichen Menüführung sowie Darstellung im Display. So sind beispielsweise alle Menüelemente sichelartig außerhalb des zentralen Bildfeldes angeordnet, damit es in keiner taktischen Lage zur Überlagerung des Zielbildes kommen kann. Selbst wenn der Nutzer mitten im Zielvorgang Einstellungen im Menü vornehmen muss. Die Franken sind weiterhin in der Lage, kundenangepasste und konfigurierbare Menüs anzubieten. Zum Beispiel die Reihenfolge der einzelnen Verstelloptionen in der Menüoberfläche kann so passgenau konfiguriert werden. Wenn gewollt, können einzelne Elemente komplett entfernt werden. Auch die Konfiguration unterschiedlicher Menüs – etwa ein mit allen Punkten versehenes Trainingsmenü sowie ein auf die Notwendigkeit des Einsatzes reduziertes Menü – ist nach Angaben des Unternehmens möglich. Was so simpel klingt, ist in der Realität weitaus komplexer, da beispielsweise jegliche Veränderung der Funktionalität von taktischen Produkten automatisch eine teuere und langwierige Qualifizierung benötigt. Es ist daher durchaus einiges an Know-how notwendig, um Modularität der Menüführung, Bedienerfreundlichkeit und taktische bzw. juristische Auflagen miteinander zu vereinen. Auch diese Unterschiede in der Nutzerfreundlichkeit – ähnlich wie bei der Bedienausgestaltung eines Smartphones – lassen sich technisch kaum messen, sondern nur individuell durch die Nutzer feststellen.
Wilhelm verweist zudem auf weitere Produktaspekte, die sowohl zur taktischen Leistungsfähigkeit als auch Nutzerfreundlichkeit der VECTED-Geräte, wie beispielsweise dem TC-640-60 sorgen. Bei dem TC-640-60 handelt es sich um ein Wärmebildgerät für Ziel- und Beobachtungsaufgaben. Das Gerät ist manuell vorjustiert, so dass es durch die Nutzer einfach als Vorsatzgerät (Plug & Play) vor eine herkömmliche Optik montiert werden kann, ohne dass eine nutzerseitige Justierung oder eines Einschießens bedarf. Das Gerät überprüft ständig die Justierung zwischen dem Okular und dem Objektiv, sollte es eine unerwünschte Verschiebung der Ablage geben, wird diese in Form einer Warnmeldung dem Schützen unmittelbar im Display angezeigt. Ein durch Dejustierung verursachter Fehlschuss ist somit ausgeschlossen. Eine „intelligente“ Schnellmontage trägt ebenfalls zur Nutzerfreundlichkeit bei. Dadurch, dass das Gerät sowohl handgehalten als Beobachtungs- oder mittels einer Picatinny-Aufnahme als Vorsatzoptik genutzt werden kann, hat VECTED eine spezielle Montage entwickelt, die das Gerät automatisch auf die für die Nutzung als Zieloptik notwenige Konfiguration (Zoom, Farbdarstellung,…) zurücksetzt, sobald das Gerät an die Waffe geklickt wird. Dies soll verhindern, dass der Schütze in der Hitze des Einsatzes beispielsweise bei falscher Zoomeinstellung schießt und daher einen Fehlschuss produziert.
Investment in die Zukunft
VECTED ist nach Angaben von Wilhelm davon überzeugt, dass intelligente und leistungsfähige Wärmebildgeräte auch im abgesessenen Einsatz von Streitkräften und im Behördenbereich immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. Die taktischen Vorteile liegen seiner Meinung nach auf der Hand. Das Unternehmen investiert daher erheblich in Produktentwicklung und Produktion. So wurden in den letzten Jahren beispielsweise Experten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz / Neuronalen Netze eingestellt und der Bau einer neuen Produktions- und Lagerstätte vorbereitet. Ab 2023 wollen die Franken die eigenen Kapazitäten verdreifachen.