StartStreitkräfteHeute vor 15 Jahren: Karfreitagsgefecht in Afghanistan

Heute vor 15 Jahren: Karfreitagsgefecht in Afghanistan

Am heutigen 2. April jährt sich das Karfreitagsgefecht bei Isa Khel während des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr zum 15. Mal. Bei dem stundenlangen Kampf gegen Taliban fielen drei deutsche Fallschirmjäger, acht Soldaten wurden teils schwer verwundet. Zusätzlich wurden sechs afghanische Soldaten bei einem „Friendly fire“-Vorfall getötet, als ein Schützenpanzer Marder das Feuer auf ihre Fahrzeuge eröffnete nachdem sie nicht auf Anhaltesignale reagierten. Amerikanische Hubschrauberbesatzungen retteten mehrere deutsche Verwundete unter Beschuss aus der Kampfzone.

Der Ehrenhain mit den Namen der Gefallenen des Karfreitagsgefechts im ehemaligen Feldlager Kundus.
Der Ehrenhain mit den Namen der Gefallenen des Karfreitagsgefechts im ehemaligen Feldlager Kundus. Heute befindet er sich im „Wald der Erinnerung“ am Bundeswehrstandort Geltow bei Potsdam. (Foto: Mike Ax)

Ausgangslage am Karfreitag 2010 war der Einsatz zweier Züge vom Fallschirmjägerbataillon 373 aus Seedorf mit zugewiesenen Kampfmittelräumern und zwei Schützenpanzern Marder, die bei Isa Khel nahe dem Feldlager Kundus Sprengfallen (Improvised Explosive Devices, IED) aufklären und beseitigen sollten. Gegen 13 Uhr gerieten diese in einen Hinterhalt von geschätzt 30 bis 40 Taliban-Kämpfern. Dabei wurden rasch zwei Soldaten schwer und einer leicht verwundet, unter anderem bei einem Vier-Mann-Trupp, der nach einer verloren gegangenen Drohne suchte und von den übrigen Kräften abgeschnitten wurde.

Kampf bis die Munition knapp wurde

Aus dem Feldlager Kundus wurden daraufhin die Immediate Reaction Force in Stärke von etwa 30 Mann sowie amerikanische Medevac-Hubschrauber vom Typ Black Hawk entsandt. Diese nahmen die Schwerverwundeten auf, von denen jedoch einer nach Ankunft im Feldlager für tot erklärt werden musste. Das Feuergefecht gegen die schwer fassbaren Taliban, die aus der Deckung der Gebäude von Isa Khel operierten, zog sich in die Länge, bis auf deutscher Seite die Munition knapp wurde.

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Bei dem Versuch, sich vom Feind zu lösen wurde gegen 15 Uhr ein geschütztes Fahrzeug Dingo von einer Sprengfalle getroffen, wobei zwei Soldaten getötet, drei schwer und zwei weitere leicht verwundet wurden. Erst gegen 16:30 Uhr konnten sich die Fallschirmjäger nach Zerstörung des Dingos in einem aufkommenden Sandsturm zurückziehen. Die letzten Kräfte erreichen das Feldlager gegen 18 Uhr und wurden von einer Reservekompanie abgelöst. Gegen 19:40 Uhr kam es zu dem „Friendly Fire“-Vorfall mit den afghanischen Soldaten, die den deutschen Kräften in zwei zivilen Pick-up Trucks entgegen fuhren.

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Gefallene und Verwundete

Die Verluste der Taliban wurden auf mindestens fünf Tote geschätzt. Insgesamt wurden von deutscher Seite über 25.000 Schuss abgegeben. Die folgenden Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 373 fielen bei dem Gefecht:

  • Hauptfeldwebel Nils Bruns (35)
  • Stabsgefreiter Robert Hartert (25)
  • Hauptgefreiter Martin Kadir Augustyniak (28).
Die Karfreitagsgefechts-Veteranen Naef Adebahr, Ralf Rönckendorf (v. l.), Maik Mutschke und Jason LaCrosse (v. r.) bei einem Wiedersehen auf der Internationalen Luftfahrtausstellung Berlin 2012.
Die Karfreitagsgefechts-Veteranen Naef Adebahr, Ralf Rönckendorf (v. l.), Maik Mutschke und Jason LaCrosse (v. r.) bei einem Wiedersehen auf der Internationalen Luftfahrtausstellung Berlin 2012. (Foto: USAF/Tabitha Lee)

Zu den Verwundeten gehörten:

  • Stabsgefreiter Maik Mutschke verlor bei dem IED-Treffer auf den Dingo ein Auge. Er wurde Berufssoldat in der Sportfördergruppe der Bundeswehr und Paralympics-Athlet.
  • Hauptfeldwebel Ralf Rönckendorf, der als Sanitäter selbst mehrere Kameraden versorgte, erblindete bei derselben Explosion vollständig. Er wurde ebenfalls Berufssoldat und übernahm das speziell für seine Bedürfnisse eingerichtete Büro des Standortübungsplatzes Seedorf. 2011 erhielt er einen Sonderpreis bei der Bambi-Verleihung.
  • Hauptfeldwebel Naef Adebahr wurde in beide Beine getroffen. Auch er wurde Berufssoldat in der 2012 eingerichteten Gruppe Sporttherapie zur Rehabilitation verwundeter Soldaten an der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf, nahm an den Invictus Games teil, wurde Trainer und Truppenpsychologiefeldwebel. In dieser Funktion hatte er zwei weitere Einsätze in Afghanistan, zuletzt 2021.

Auszeichnungen für das Karfreitagsgefecht

Sechs Teilnehmer des Karfreitagsgefechts erhielten das Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit, davon Robert Hartert und Martin Kadir Augustyniak postum, und die Verwundeten Maik Mutschke und Ralf Rönckendorf. Ausgezeichnet wurden zudem Hauptfeldwebel Mario Kunert, der mit vier Mann zu dem abgeschnittenen Suchtrupp vorstieß, und Hauptfeldwebel Philipp Oliver Pordzik, der als Führer der ersten Verstärkungskräfte die Situation stabilisierte.

Die Ehrenkreuze der Bundeswehr in Gold in besonderer Ausführung vor der Verleihung an die amerikanischen Black Hawk-Besatzungen.
Die Ehrenkreuze der Bundeswehr in Gold in besonderer Ausführung vor der Verleihung an die amerikanischen Black Hawk-Besatzungen. (Foto: ISAF)

Die folgenden Soldatinnen und Soldaten erhielten das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold in besonderer Ausführung:

  • Hauptfeldwebel Nils Bruns (postum)
  • Hauptfeldwebel Gerhard Haben, eingesetzt als Sanitäter bei einem Beweglichen Arzttrupp der mehrere Verwundete unter Beschuss zur Landezone für die Medevac-Hubschrauber transportierte und stabilisierte.
  • Oberstabsarzt Ulrike Hödel, Ärztin des Beweglichen Arzttrupps.
  • Die amerikanischen Hubschrauber-Besatzungsmitglieder Captain Robert Mcdonough, die Chief Warrant Officers Steven Husted, Jason LaCrosse, Nelson Visaya, Jason Brown, Sean Johnson und Eric Wells, Staff Sergeant Travis Brown, die Sergeants William Ebel, Antonio Gattis und Steven Shumaker, und die Specialists Matthew Baker, Todd Marchese und Gregory Martinez, alle 5th Battalion 158th Aviation Regiment der U.S. Army aus Kattenbach.

Obwohl das Gefecht im Maßstab des Krieges in Afghanistan keine Besonderheit darstellte, war es für deutsche Truppen das schwerste und verlustreichste seit dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als alle anderen Ereignisse änderte es die Wahrnehmung des ISAF-Einsatzes in Deutschland von einer Stabilisierungsmission zu einem echten Krieg, in dem Bundeswehr-Soldaten tatsächlich kämpfen mussten.

Stefan Axel Boes