StartMobilität„So modular wie möglich werden, so viele Varianten wie möglich bieten“

„So modular wie möglich werden, so viele Varianten wie möglich bieten“

Interview mit Sebastian Schaubeck, Geschäftsführer der ACS Armoured Car Systems GmbH

Print Friendly, PDF & Email

Mit der erfolgreichen Markteinführung des modularen Aluminium-Rahmens ist der im bayrischen Friedberg ansässigen ACS Armoured Car Systems GmbH (ACS) eine Entwicklung gelungen, die eine bis dahin nicht gekannte Modularität bei Geländefahrzeugen ermöglicht. Dazu kommen logistische Vorteile während der Nutzungsphase der Fahrzeuge. Mit dem Enok AB (Airborne) und der Luftlandeplattform Caracal nutzen bereits zwei G-Plattformen den modularen Aluminium-Rahmen aus Bayern. Soldat & Technik sprach mit Sebastian Schaubeck, Geschäftsführer der ACS, über die Idee hinter dem ACS-Rahmenkonzept und die Vorteile, die sich für die Truppe ergeben.

S&T: Wie kam es zu der Idee, ein solches Konzept zu entwickeln?

Schaubeck: Wir haben uns früh strategische Gedanken gemacht, was künftig im Verteidigungsbereich wichtig werden wird und haben auf das Thema Modularität gesetzt. Beim GSDLuWa [Gesamtsystemdemonstrator Luftbeweglicher Waffenträger, A.d.R.] hatten wir eine ähnlich „radikale“ Idee, die haben wir aber nicht umsetzen können.

sut layout500x300 2024yH5BAEKAAEALAAAAAABAAEAAAICTAEAOw==

Der Austausch mit den Soldatinnen und Soldaten hat uns dabei bestärkt, dass Modularität eine entscheidende Rolle spielt. Alle Soldaten in Europa und der NATO sagten uns das Gleiche: „wir müssen schnell auf eine Lageänderung reagieren können. Dabei haben wir wenig Zeit und wir wissen auch nicht, was sich alles ändern kann“. Wir wussten also eigentlich nichts Konkretes und es gab keine Leitplanken. Also haben wir uns eben genau auf das konzentriert: so modular wie möglich werden, so viel Varianten wie möglich bieten.

yH5BAEKAAEALAAAAAABAAEAAAICTAEAOw==

Auf der Erde leben mittlerweile acht Milliarden Menschen. Für fast jedes Problem gibt es schon eine Lösung bzw. es hat sich schon einmal jemand Gedanken gemacht. Wir alle kennen hoch-modulare Systembaukästen und haben diese Ideen auf die Militärbranche übertragen. Die Idee war aber schneller geboren als die Ausgestaltung aller Details.

S&T: Können Sie das Konzept hinter dem modularen Aluminium-Rahmen beschreiben?

Schaubeck: Mit unserem modularen Space Frame minimieren wir Kopfschmerzen für Nutzer, Beschaffer, Steuerzahler und uns selbst. Damit das gelingt, haben wir gegen viel Widerstand auf viele Schraub- statt Schweißbaugruppen gesetzt.

Die Nutzer erhalten ein hoch modulares Fahrzeug, welches „interoperable“ und „interchangeable“ ist. Jede Truppengattung kann mit Bordwerkzeug im Feld aus dem Fahrzeug einer fremden Truppengattung ein eigenes Fahrzeug „herstellen“. Wir verwenden im Grundaufbau lediglich drei verschiedene Schrauben.

Für die Beschaffer bietet das Fahrzeug eine sehr breite Basis für die Zukunft. Bedrohungen und damit die erforderlichen militärischen Fähigkeiten verändern sich schnell. Mit unserem Konzept kann der Rüster mit wenig Aufwand die Fähigkeiten der Fahrzeuge über die Lebensdauer einfach anpassen.

Da wir auf Großserienkomponenten und –fertigungsprozesse setzen, entstehen Größendegressionseffekte, die dem Kunden zugutekommen und die Kosten für die Steuerzahler begrenzen. Das gelingt uns auch bei geringeren Stückzahlen. Die Verteidigungsbudgets müssen unserer Meinung nach steigen, aber wir erwarten keinen zügellosen Aufwuchs.

Schließlich helfen wir uns auch selber. Wir sind eine mittelständische Firma der wehrtechnischen Industrie und haben ein hohes Interesse, dass unsere Fixkosten nicht übermäßig steigen. Wehrtechnik ist wie ein Marathon. Der modulare Aluminium Rahmen muss auch für uns einfach sein und wir wollen keine teuren Produktionsanlagen oder zu viel Spezialwissen. Das erleichtert auch eine mögliche Internationalisierung.

S&T: Welche Vorteile bietet der ACS-Rahmen bei der Entwicklung, Produktion und Wartung von Rüstsätzen?

Schaubeck: Neben dem ACS-Rahmen verfügen wir über alle weiteren Kernkomponenten, damit ein leichtes, taktisches Militärfahrzeug entsteht: Schutzelemente, Türen, Scheiben, Racks, Waffenaufnahmen, Heckklappe, eBike usw. Rund um den ACS Rahmen ist ein militärischer Systembaukasten entstanden. Wenn man keine Goldrandlösung möchte, dann ist die Entwicklung von Rüstsätzen eher ein „Ankreuzen im Katalog“. Wir haben weit über 50 m Anbindungsfläche je Fahrzeug zur Verfügung. Die Integration von Rüstsätzen wird dadurch deutlich vereinfacht.

ACS ENOK Foto ACS e1702893847314
Der modulare ACS-Rahmen ermöglicht jeder Truppengattung mit Bordwerkzeug im Feld die „Herstellung“ eines eigenen Fahrzeuges aus dem Fahrzeug einer fremden Truppengattung. (Foto: ACS)

In der Produktion setzen wir, wie erwähnt, viel auf Schraubbaugruppen. Wir schweißen im ACS-Rahmen so wenig wie möglich. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass wir schneller, prozesssicher bzw. flexibler sind. Solange wir in unserem Systembaukasten bleiben, können wir nahezu alles von Auto zu Auto Millimeter-genau anpassen, ohne unseren Prozess zu ändern.

Diese Produktionsvorteile spiegeln sich anschließend auch in der Wartung wider. Der Aufbau ist einfach auszutauschen, zu reparieren und anzupassen. Übrigens geht es der Bundeswehr wie uns. Es ist deutlich schwieriger Produktions- und Wartungspersonal für Schweiß- anstelle von Montageaufgaben zu finden bzw. auszubilden.

S&T: Welche Vorteile ergeben sich für die Nutzerebene der mit dem Rahmen ausgestatteten Fahrzeuge?

Schaubeck: Die Nutzer verdienen ein Fahrzeug, mit dem sie ihren Auftrag bestmöglich erfüllen können. Im IKM-Einsatz [Einsätze im Rahmen des internationalen Krisenmanagements, A.d.R.] konnte der Nutzer Einsätze genau planen und auf einen günstigen Moment warten. Im LV/BV-Szenario [Landes- und Bündnisverteidigung, A.d.R.] gibt es diese Welt nicht. Der Nutzer muss einen Auftrag genau dann erfüllen, wenn es notwendig ist. Er muss mehr improvisieren bzw. die Mittel bestmöglich einsetzen, die er in diesem Moment zur Verfügung hat. In anderen Worten muss er flexibel und jederzeit bereit sein. Daher passt unser Konzept besonders gut zu den leichten Kräften, wie z.B. Spezialkräfte, Fallschirmjäger oder Fernspäher.

S&T: Welche Entwicklung kann man als nächstes aus Ihrem Hause erwarten?

Schaubeck: Gute Frage. Aktuell konzentrieren wir uns im Schwerpunkt voll und ganz auf die Luftlandeplattform für die Deutsche Bundeswehr sowie Niederländische Landmacht unter der Führung der Rheinmetall AG. Damit sind wir aktuell und in den kommenden Jahren sehr gut ausgelastet. Wir werden uns aber nicht ausruhen, unsere Pipeline ist voll mit Ideen und Konzepten. Kürzlich haben wir erste Bilder eines geschützten Fahrzeuges präsentiert. Wir sind überzeugter denn je, dass wir in Fahrzeugfamilien denken müssen. Diesen Familiengedanken werden wir in den kommenden Jahren weiter forcieren und ausbauen. In unserer Vision gibt es „Standardisierte Mobilitätsplattformen“ (SMP). Die weiteren Fähigkeiten kommen über den Aufbau bzw. den Rüstsatz. Im 5t Bereich ist unsere SMP der G von Mercedes Benz. In der höheren Gewichtsklasse arbeiten wir mit den militärischen Unimog Chassis. Beides sind hervorragende Produkte und bieten die beste Basis für unsere Fahrzeuge. Unsere Produkte sind aber grundsätzlich nicht an bestimmte Chassis gebunden.

Die Fragen stellte Waldemar Geiger.