StartMobilitätRückkehr zur amphibischen Fähigkeit

Rückkehr zur amphibischen Fähigkeit

André Forkert

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Als die Planer der Bundeswehr Ende der 60er Jahre Gedanken über die Nachfolgegeneration von ungepanzerten und gepanzerten Fahrzeugen anstellten, war die Forderung nach Schwimmfähigkeit allgegenwärtig.

Selbst an die Lastkraftwagen, die als MAN Kat I in Restbeständen noch in Nutzung waren, wurde diese Forderung gestellt. Obwohl technisch zu realisieren, wurde von der Forderung nach Schwimmfähigkeit aus Kostengründen schon in der Frühphase des Programmes Abstand genommen.

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Schwimmversuche mit einem KAT1 in der Mosel. (Foto: Bundeswehr)

Der geforderte schwimmfähige Europa-Jeep wurde noch in der Prototypenphase eingestellt. Mehrere Konsortien hatten Prototypen gebaut darunter FIAT-MAN-SAVIEM, LANCIA & BÜSSING sowie BMW-MBB. Der Nachfolger des MUNGA wurde von VW gebaut, war nicht schwimmfähig und wurde als ILTIS bekannt.

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Fiat – MAN – SAVIEM Vorschlag EUROPA Jeep um 1970. (Foto: Fiat)

Bei den gepanzerten Gefechtsfahrzeugen, namentlich LUCHS und FUCHS, wurden die amphibischen Forderungen umgesetzt und beide Fahrzeugen bewährten sich im Truppenalltag und in Auslandseinsätzen. Erst im Zuge der Kampfwertsteigerungen verloren beide Fahrzeuge ihre Schwimmfähigkeit.

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Mit Ende des kalten Krieges und der Verschiebung des Einsatzschwerpunktes auf Auslandseinsätze verlor die Schwimmfähigkeit immer mehr an Bedeutung. Infolgedessen wurde in der Wehrtechnischen Industrie diese Fähigkeit nicht weiterentwickelt. Ein weiteres Beispiel ist der FENNEK. Während der LUCHS als Aufklärungsfahrzeug noch schwimmfähig war, wurde diese Forderung für den Nachfolger FENNEK nicht mehr gestellt.

Mit der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung rückt auch diese Fähigkeit wieder in den Blickpunkt. Wie aus der Bundeswehr zu hören ist, soll der Nachfolger des FENNEK wieder eigenständig Gewässer über- bzw. durchschreiten können.

Beispiel U.S. Marine Corps

Dank internationaler Ausschreibung und Beschaffungsprojekte hat zumindest IVECO Defense Vehicles (IDV) das Thema Schwimmfähigkeit weiter vorangetrieben und wurde, gemeinsam mit BAE Systems, beim Wettbewerb des U.S. Marine Corps (USMC) für die Nachfolge des Assault Amphibious Vehicle (AAV7) ausgewählt. Insgesamt 458 Amphibious Combat Vehicles (ACV) in vier Varianten sind aktuell in der Beschaffung. Das USMC nutzt ausschließlich die ACP 8×8 Variante.

Das Gruppenfahrzeug ACV-P bietet neben der dreiköpfigen Besatzung weiteren 13 Marineinfanteristen Platz. Der V-förmige Boden in Kombination mit blastabsorbierenden Sitzen schützt die Besatzung gegen die Wirkung von Minen. Passive Schutztechnologien, optional kombiniert mit aktiven Schutzsystemen, bilden den Schutz gegen Geschosse und Splitter. Daneben gibt es noch die Varianten Führungsfahrzeug (ACV-C), Kampffahrzeug (ACV-30) mit 30 mm Bordkanone sowie Bergefahrzeug (ACV-R). Das C2-Fahrzeug ACV-C und das ACV-30 sollen Anfang 2024 der Marineinfanterie erstmalig übergeben werden. ACV-C soll im März 2024 den Status Initial Operational Capability (IOC) erreichen, so das USMC. Das ACV-30-Fahrzeug wird nach der Auslieferung erst noch in die Felderprobung gehen. Hier ist IOC für Mitte 2026 geplant. Für das ACV-R wird nicht vor Ende 2027/Anfang 2028 gerechnet. Die Fahrzeuge werden bei BAE Systems im Werk York, Pennsylvania, hergestellt.

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Blick ins Innere des SuperAV 8×8 mit Fahrer- und Kommandantenplatz. (Foto: IVECO)

Die wesentliche Differenzierung zu den in der NATO eingeführten schwimmfähigen Transportpanzern (TPz) liegt in der amphibischen Fähigkeit. Das ACV ist so konzipiert, dass es auch bei Seastate 3 (Wellenhöhe bis 1.250 mm) die Ship-to Shore Forderung erfüllt. Von zwei Propellern angetrieben erreicht das Fahrzeug eine Geschwindigkeit im Wasser von bis zu 16km/h. Trotz des Fokus auf die Schwimmfähigkeit erreicht der ACV eine Spitzengeschwindigkeit (Land) von 105 km/h und ist damit ebenso schnell und agil wie BOXER, PANDUR und Co.

Ein weiterer Unterschied unter dem Oberbegriff „Schwimmfähigkeit“ ist die Reichweite. Die amphibischen Fähigkeiten der in den letzten Jahren eingeführten TPz reduzieren sich auf die Überwindung eines Flusses mit geringer Strömungsgeschwindigkeit, bestenfalls eines Sees, aber kein Einsatz im Meer bei Wellengang. Das ACV bietet eine Reichweite von mehr als 60 km im offenen Meer.

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ACV des USMC bei der Anlandung an einen Strand. (Foto: USMC)

Eine weitere Herausforderung ist die Annäherung an den Strand zu meistern. Dort gilt es sowohl die Brandung und die Dünung zu überwinden und bei eventuellen Kreuzseen das Fahrzeug stabil und in Richtung des Strandes zu halten. Fähigkeiten welche bei der Auslegung der o.g. schwimmfähigen TPz wenn überhaupt nur peripher Beachtung gefunden haben.

Als Antrieb nutzt IVECO das CURSOR 16 Triebwerk mit einer Leistung von 700 PS und 3.000Nm Drehmoment. Triebwerke dieser Baureihe finden auch in den LKW der IVECO TRAKKER Baureihe Verwendung. Dies reduziert die Kosten in der Beschaffung und Unterhalt und erhöhen die logistische Gleichheit innerhalb des IVECO Produktportfolios.

Varianten

Die erste Variante des ACV sind die 36 amphibischen Transportpanzer, welche im Januar dieses Jahres für die Brigade San Marco der italienischen Marineinfanterie bestellt wurden. Neben den geänderten Details im Inneren des Fahrzeugs ist die Integration der Leonardo HITROLE Light Waffenstation die augenfällige Änderung. Die HITROLE kann Waffen der Kaliber 7,62×51 mm bis .50 BMG aufnehmen.

Das U.S. Marine Corps erprobt aktuell im Rahmen des Advanced Reconnaissance Vehicle (ARV) Programmes den COTTONMOUTH, ein 6×6 Fahrzeug von Textron Systems. Wie schon beim PANDUR EVO, welcher von US Special Operations Command (USSOCOM) als schweres Special Operations Vehicle (SOV) bestellt worden ist, scheint man sich entgegen ersten Forderungen mit einer Waffenstation mit einem schweren Maschinengewehr .50 BMG begnügen zu müssen.

Die 6×6 Variante des IVECO ACV verfügt über die Fähigkeit einen 25 mm Turm zu integrieren und dabei keine Einschränkungen der amphibischen Fähigkeiten in Kauf nehmen zu müssen.

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Der ACV im Einsatz bei den U.S. Marine Corps. (Foto: USMC)

Als geeignet wird der Turm des deutschen GSD Luftbeweglicher Waffenträger (LuWa) angesehen. Dieser stammt vom slowenischen Hersteller VALHALLA, und verbindet eine niedrige Kontur (Höhe 410 mm) mit geringem Gewicht. Zudem ist die Nachweisführung mit der Rheinmetall BK27 mm (Bordkanone im Kaliber 27 Millimeter) bereits fortgeschritten und die KBA-Kanone (25×137mm) von Rheinmetall Waffe Munition (RWM) bereits konzeptionell integriert. VALHALLA ist es gelungen, trotz dem Doppelgurtzuführer und einem ungewöhnlich großen Munitionsvorrat die niedrige Bauhöhe beizubehalten.

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Die SuperAV Fahrzeuge sind zum Manned-Unmanned Teaming (MUM-T) ausgelegt, also zur direkten Zusammenarbeit mit unbemannten Bodenfahrzeugen (UGV). Dazu nutzt beim ACV C4UAS BAE Systems während einer Demonstration das IAI/ELTA Systems Rex MK II Unmanned Infantry Combat Support System. (Foto: BAE Systems)

Das weite Fähigkeitsspektrum des IVECO SuperAV (USMC ACV) und die vom USMC bisher gemachten Erfahrungen bestätigen den Anspruch von IDV, eine neue Generation geschützter und schwimmfähiger Gefechtsfahrzeug entwickelt zu haben.

 

 

 

Brasilien hat im Rahmen des VBPT-MR (Viatura Blindada Transporte de Pessoal – Média de Rodas) Guarani Projektes über 3.500 Fahrzeuge in mehreren Varianten bestellt. Auch hier bildet der IVECO SuperAV 6×6 die Grundlage. Die Kampfvariante nutzt die 30 mm Mk44 Bushmaster II Maschinenkanone. IVECO bietet insgesamt neun Varianten des VBPT-MR an.

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VBPT-MR (Viatura Blindada Transporte de Pessoal – Média de Rodas). (Foto. BRA Army)

Schwimmpanzer Kette

Ein anderes Projekt ist das Amphibiuos Protected Vehicle Tracked (APVT) von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) / KNDS. Der amphibische Panzer wurde erstmals auf der Eurosatory 2018 vorgestellt. Der APVT-Demonstrator spielt mit 30 Tonnen Gefechtsgewicht allerdings in einer anderen Gewichtsklasse. Auch ist er nicht wie der SuperAV ein Radpanzer, sondern kommt auf Ketten daher. Das vollgeschützte Gefechtsfahrzeug soll eine einzigartige Mobilität zu Land und zu Wasser bieten. Dazu wurde die Fahrzeugfront klassisch wie ein Landfahrzeug konzipiert, das Heck ist wie ein Schiffsbug. Daher wird der Amphibienpanzer im Wasser mit dem Heck voraus bewegt. Zur Ausfahrt aus dem Gewässer muß die Fahrtrichtung um 180° geändert werden.

APVT kann die Zwei-Mann-Besatzung (Fahrer und Kommandant) sowie bis zu acht Infanteristen aufnehmen. Auf der Eurosatory war das Fahrzeug mit einer Fernbedienbaren Waffenstation 200+ (FLW 200+) und einer 20 mm Kanone ausgestattet. Das Fahrzeuggewicht liegt bei 25 Tonnen, mit zusätzlichen 5 Tonnen Nutzlast.

André Forkert