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From Ship to Shore: Fahrzeuge für Amphibische Operationen

André Forkert

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Für amphibische Operationen ist in der Bundeswehr das Seebataillon aus Eckernförde als Teil der Deutschen Marine zuständig. Es bündelt für die Bundeswehr die Kompetenz über den wohl komplexesten aller militärischen Aufträge: Landungsoperationen, so die Marine auf ihrer Website. Dabei sind die möglichen Szenarien für Seestreitkräfte, außerhalb ihrer eigenen Domäne zu wirken, vielfältig. Sie reichen von Hilfeleistungen in Katastrophenfällen über die Evakuierung von Staatsbürgern bis hin zu offensiven Operationen bei der Landes- und Bündnisverteidigung. Hier gilt speziell den Blick in Richtung Baltikum zu richten und Landungsköpfe nach einer russischen Invasion zu bilden.

„Vom Meer zum Land – vom Land zum Meer“ ist der Leitspruch des Seebataillons und beinhaltet bereits den Kern der Amphibik. Gemeint ist damit die gleichzeitige Kriegsführung an Land und im Wasser. Im herkömmlichen Sinn, und am häufigsten, ist damit eine militärische Landungsoperation von See auf Land gemeint. Amphibische Operationen gehen über reine Anlandungen hinaus. Sie beginnen bereits im Heimathafen mit akribischer Planung und dem korrekten Beladen der beteiligten Schiffe und Boote.

Für die Umsetzung gibt verschiedene Arten von Booten/Schiffen mit amphibischen Fähigkeiten. Das Spektrum reicht von kleinen Festrumpfschlauchboot für die Anlandung von Spezialkräften oder Vorauskräften, Mehrzwecklandungsbooten, die einen Zug Infanterie oder einen Kampfpanzer transportieren können, bis zu großen Hubschrauberträgern (bspw. USS „Iwo Jima“ oder die spanische „Juan Carlos I“).

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Besonders leistungsfähig und vielseitig sind die spezialisierten großen Ladungsschiffe, die im Fachenglisch „Landing Platform, Dock“ (LPD). Sie sind für amphibische Operationen enorm wichtig. Diese speziellen Schiffe haben ein besonderes Deck, im Englischen well-deck genannt, das sich wie ein Schwimmdock fluten lässt. Hier können die Landungsboote für den Transport an Land beladen werden oder Schwimmpanzer zu Wasser gelassen werden.

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Deutschland verfügt über kein eigenes Landungsschiff, kann aber auf Basis einer bilateralen Vereinbarung die Landungsschiffe der Königlich Niederländischen Marine mitnutzen. Die niederländische Flotte verfügt über zwei LPDs der Rotterdam-Klasse und das Mehrzweckversorgungsschiff „Karel Doorman“. Alle werden regelmäßig in die Übungen der Deutschen Marine und auch bei der Militärischen Evakuierungsübung „Schneller Adler“ der Division Schnelle Kräfte (DSK) beteiligt. Unter einem Landungsfahrzeug versteht man ein militärisches Schiff, das Truppen und Material unabhängig von Hafeninfrastruktur von See anlanden kann.

In den USA gibt es neben den großen Schiffen dann noch die Ship to Shore Connector (SSC) oder Landing Craft, Air Cushion (LCAC) – also Luftkissenboote. In Großbritannien werden die Assault Boats oder Landing Crafts genutzt. So nutzen die Soldaten des Royal Logistics Corps (RLC) eine Mexeflote, um von einem Roll on Roll off (RORO)-Schiff zu einem sicheren Strandabschnitt zu gelangen. Die Mexeflote ist ein Landungsfloß, das vom britischen Royal Logistic Corps verwendet wird, um Waren und Fahrzeuge zwischen Schiff und Land zu transportieren. Es wurde erstmals in den 1960er Jahren vom britischen Militär eingesetzt. Es kann eine Ladung von Fahrzeugen und Ausrüstungen bis zu 198 Tonnen transportieren und wird routinemäßig weltweit über das Royal Fleet Auxiliary Landing Ship Dock Auxiliary eingesetzt.

Die wichtigsten Landungsboote der Royal Marines sind die Mk 10 LCUs und die Mk 5B LCVPs. Vier LCUs und 4 LCVPs können auf jedem der Angriffsschiffe der Albion-Klasse an Bord genommen werden, während 1 LCU oder 2 LCVPs auf den Landungsschiffen der Bay-Klasse der Royal Fleet Auxiliary mitgeführt werden können. Die LCUs haben eine Verdrängung von 240 Tonnen und konnten einen Kampfpanzer, vier weitere Fahrzeuge oder 120 Soldaten transportieren. Die LCVPs haben eine Verdrängung von 8,2 Tonnen und können 6 Tonnen Vorräte oder 35 Soldaten transportieren. Seit 2019 sind vier weitere Griffon 2400 TD Landing Craft Air Cushion (Light) bei den Royal Marines im Einsatz. Sie können 16 Soldaten oder 2,4 Tonnen Nachschub transportieren.

Aber was kommt, wenn die Marineinfanteristen und ihre Ausrüstung am Strand angekommen sind. Bleiben wir zunächst in Großbritannien.

Leoparden in Großbritannien

Es ist kaum bekannt, dass das Vereinigte Königreich streng genommen zu den Leopard-Nutzerstaaten gehört. Betrieben werden diese Leopard-Panzer jedoch nicht wie zu erwarten vom Heer, sondern von der Royal Navy. Dort heißen sie Beach Recovery Vehicle (BRV) HIPPO. Die Beach Master Unit setzt diese Fahrzeuge bei amphibischen Operationen ein, um steckengebliebene Fahrzeuge über den Strand zu schleppen oder Ladungsboote in Wasser zurückzuschieben.

Diese BRV sind beileibe keine neue Erfindung. Für die Invasion in der Normandie wurden etwa 60 ABRV (Armored Beach Recovery Vehicles) auf Basis des Kampfpanzer SHERMANN gebaut. In den 70ern ersetzte die Royal Navy diese durch ABRV auf CENTURION-Basis, welchen Anfang der 2000er die BRV auf LEOPARD1-Varianten folgten.

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BRV RHINO auf LEOPARD1A5 (links) und ARV CENTURION. (Foto: Royal Marines)Insgesamt wurden von der ehemaligen norwegischen Firma Hägglunds-Moelv acht ABRV gebaut. Vier für Großbritannien und vier für die Niederlande. Technisch sind beide Fahrzeuge sehr ähnlich, unterscheiden sich jedoch in der Ausführung der Kabine. Das Leopard1A5-Fahrgestell wurde dahin geändert, dass nun eine Wattiefe bis 2,7 m möglich ist, jedoch nur noch eine Spitzengeschwindigkeit von 20 km/h erreicht wird. Dies ist das Ergebnis der Verwendung eines speziellen Getriebes, welches auf Zug- und Schubleistung ausgelegt ist.

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Ersteinsatz im Jahr 2018 des neuseeländischen BPRV von der Royal New Zealand Navy’s HMNZS Canterbury aus. (Foto: NZL MoD)Das U.S. Marine Corps (USMC) hat die Beach Master Units für Bergezwecke mit Planierraupen ausgestattet. Auch die LARC (Lighter Amphibious Resupply Cargo) werden zur Bergung eingesetzt. Und die neuseeländische Marine hat mit der Wiedererlangung der amphibischen Fähigkeiten zwei Skidder als BPRV (Beach Preperation and Recovery Vehicle) beschafft. Fahrzeuge dieser Art, Skidder genannt, werden weltweit in der Forstwirtschaft eingesetzt. Und basieren auf Traktoren. Der CAT C7 Motor leistet aus einem Hubraum von 7 Litern 275 PS. Damit erreicht das 18t schwere Fahrzeug eine maximale Geschwindigkeit von 20km/h. Die Watfähigkeit beträgt 1,5 Meter. Am Fahrzeugheck ist eine 18t Winde fest verbaut, an der Fahrzeugfront kann zwischen einem Räumschild und einer kleineren Winde gewechselt werden. Die BPRV bleiben nur durch die Nutzung von schmaleren Reifen unterhalb einer Breite von 4 Metern.

Auch in der zivilen Schifffahrt bzw. im behördlichen Rettungswesen müssen Boote in und aus dem Wasser gebracht werden. Die britische Royal National Lifeboat Institution (RNLI) nutzt zu diesem Zweck den TALUS MB-4H, eine Sonderentwicklung des britischen Unternehmen Clayton. Die Traktoren dieser Kleinserie verfügen bei einem Gewicht von 9.000 kg über eine Leistung von 105 PS und erreichen eine maximale Geschwindigkeit von 35 km/h. Die Wattiefe wird mit 1,6 m angegeben. Britische Skurrilität oder einfach nur Erfahrung in diesem Metier: Im Falle, dass der Traktor steckenbleibt, kann die Kabine geflutet werden. So wird das Gewicht erhöht und ein Abtreiben durch den Tidenhub verhindert. Der Fahrer verlässt in diesem Fall die Kabine über die Dachluke. Nach der Flut kann der Traktor dann geborgen werden.

Zwischenzeitlich hat auch das USMC die schweren Panzer-Systeme aus der Nutzung genommen und durch deutlich geringere Gewichtsklassen ersetzt. Der KPz Abrams wurde an die U.S. Army abgegeben, die AAV7 durch den BAE IVECO SuperAV ersetzt, so dass die Forderung nach schwerem Bergegerät ebenfalls wegfallen dürfte.

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TALUS MB-4H bei seiner Arbeit am und im Wasser. (Foto: via Autor)

Blick in die Zukunft

Dank internationaler Ausschreibung und Beschaffungsprojekte hat zumindest IVECO Defense Vehicles (IDV) das Thema Schwimmfähigkeit weiter vorangetrieben und wurde, gemeinsam mit BAE Systems, beim Wettbewerb des U.S. Marine Corps (USMC) für die Nachfolge des Assault Amphibious Vehicle (AAV7) ausgewählt. Insgesamt 458 Amphibious Combat Vehicles (ACV) in vier Varianten sind aktuell in der Beschaffung. Das USMC nutzt ausschließlich die ACP 8×8 Variante.

Das Gruppenfahrzeug ACV-P bietet neben der dreiköpfigen Besatzung weiteren 13 Marineinfanteristen Platz. Der V-förmige Boden in Kombination mit blastabsorbierenden Sitzen schützt die Besatzung gegen die Wirkung von Minen. Passive Schutztechnologien, optional kombiniert mit aktiven Schutzsystemen bilden den Schutz gegen Geschosse und Splitter. Daneben gibt es noch die Varianten Führungsfahrzeug (ACV-C), Kampffahrzeug (ACV-30) mit 30 mm Bordkanone sowie Bergefahrzeug (ACV-R).

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Blick ins Innere des SuperAV 8×8 mit Fahrer- und Kommandantenplatz. (Foto: IVECO)

Die wesentliche Differenzierung zu den in der NATO eingeführten schwimmfähigen Transportpanzern (TPz) liegt in der amphibischen Fähigkeit. Das ACV ist so konzipiert, dass es auch bei Seastate 3 (Wellenhöhe bis 1.250 mm) die Ship-to Shore Forderung erfüllt. Von zwei Propellern angetrieben erreicht das Fahrzeug eine Geschwindigkeit im Wasser von bis zu 16km/h. Trotz des Fokus auf die Schwimmfähigkeit erreicht der ACV eine Spitzengeschwindigkeit (Land) von 105 km/h und ist damit ebenso schnell und agil wie BOXER, PANDUR und Co.

Ein weiterer Unterschied unter dem Oberbegriff „Schwimmfähigkeit“ ist die Reichweite. Die amphibischen Fähigkeiten der in den letzten Jahren eingeführten TPz reduzieren sich auf die Überwindung eines Flusses mit geringer Strömungsgeschwindigkeit, bestenfalls eines Sees, aber kein Einsatz im Meer bei Wellengang. Das ACV bietet eine Reichweite von mehr als 60 km im offenen Meer.

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ACV des USMC bei der Anlandung an einen Strand. (Foto: USMC)

Eine weitere Herausforderung ist die Annäherung an den Strand zu meistern. Dort gilt es sowohl die Brandung und die Dünung zu überwinden und bei eventuellen Kreuzseen das Fahrzeug stabil und in Richtung des Strandes zu halten. Fähigkeiten welche bei der Auslegung der o.g. schwimmfähigen TPz wenn überhaupt nur peripher Beachtung gefunden haben.

Als Antrieb nutzt IVECO das CURSOR 16 Triebwerk mit einer Leistung von 700 PS und 3.000Nm Drehmoment. Triebwerke dieser Baureihe finden auch in den LKW der IVECO TRAKKER Baureihe Verwendung. Dies reduziert die Kosten in der Beschaffung und Unterhalt und erhöhen die logistische Gleichheit innerhalb des IVECO Produktportfolios.

Schwimmpanzer Kette

Ein anderes Projekt ist das Amphibiuos Protected Vehicle Tracked (APVT) von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) / KNDS. Der amphibische Panzer, hausintern scherzhaft Lurchi genannt, wurde erstmals auf der Eurosatory 2018 vorgestellt. Der APVT-Demonstrator spielt mit 30 Tonnen Gefechtsgewicht allerdings in einer anderen Gewichtsklasse. Auch ist er nicht wie der SuperAV ein Radpanzer, sondern kommt auf Ketten daher. Das vollgeschützte Gefechtsfahrzeug soll eine einzigartige Mobilität zu Land und zu Wasser bieten. Dazu wurde die Fahrzeugfront klassisch wie ein Landfahrzeug konzipiert, das Heck ist wie ein Schiffsbug. Daher wird der Amphibienpanzer im Wasser mit dem Heck voraus bewegt. Zur Ausfahrt aus dem Gewässer muß die Fahrtrichtung um 180° geändert werden.

APVT kann die Zwei-Mann-Besatzung (Fahrer und Kommandant) sowie bis zu acht Infanteristen aufnehmen. Auf der Eurosatory war das Fahrzeug mit einer Fernbedienbaren Waffenstation 200+ (FLW 200+) und einer 20 mm Kanone ausgestattet. Das Fahrzeuggewicht liegt bei 25 Tonnen, mit zusätzlichen 5 Tonnen Nutzlast.

Bergefahrzeuge der Zukunft

Für das Amphibious Combat Vehicles (ACV) oder auch Amphibious Protected Vehicle Tracked müssen nicht mehr zwingend überschwere Bergungssysteme auf Basis von Kampfpanzer-Plattformen eingesetzt werden. Dem aktuellen Trend folgen, aus Zeit- und Kostengründen vermehrt auf Commercial/Military-of-the-Shelf (COTS/MOTS) zu setzen, scheinen moderne Großtraktoren alle Voraussetzungen für ein BRV oder BPRV oder eine neue Gattung dieses Fahrzeugtyps mitzubringen.

Von Haus sind diese Traktoren auf die harschen Einsatzbedingungen in land- und Forstwirtschaft ausgelegt. Sie verfügen über drehmomentstarke Motoren, eine hohe Zugleistung und starke Bordhydraulik. Mit einer max. Geschwindigkeit von mehr als 60km/h können diese Maschinen auf eigener Achse verlegt werden. Extreme Geländegängigkeit und einer serienmäßigen Wattiefe von bis zu 1,5m verleihen Großtraktoren alle Voraussetzungen die Anforderungen im Rahmen einer Landeoperation zu erfüllen.

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FENDT 1050 mit Doppelbereifung. (Foto: FENDT)

Selbst für das so wichtige Thema Bodendruck stehen fertige Lösungen zur Verfügung. Eine große Auswahl an Reifentypen, die Reifendruckregelanlage, unterschiedliche (Gleitschutz-)Kettensysteme und Doppelbereifung schaffen eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Bodendruck den Anforderungen anzupassen. Für den Fall, dass mit diesen Maßnahmen die geforderte Flächenpressung nicht erreicht wird, bleibt die Alternative des Raupentraktors.

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FENDT MT Raupentraktor als COTS-Plattform. (Foto: Dranicon)

Der TALUS MB-4H des RNLI wurde oben ja schon angesprochen. Das Fahrzeug ist in der Lage die Rettungsboote mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit von 12 km/h in die erforderliche Wassertiefe zu schieben, um zu starten. Der Talus kann im Notfall schnell wasserdicht gemacht werden und bis zu 24 Stunden lang in bis zu 9 m Wassertiefe zurückgelassen werden. Ohne Schaden zu nehmen.

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UNAC Egame mit leichter Rollstraße Photo: UNAC

Außerdem können Traktoren neben der reinen Bergeaufgaben auch mit einer Vielzahl von Anbaugeräten ausgestattet werden um z.B. Erdarbeiten durchzuführen oder Rollstraßen zu verlegen. Großtraktoren können anders als der von den FRA Troupes de Marine genutzten UNAC auch Rollstraßen verlegen, welche von schweren Radfahrzeugen genutzt werden können. Eine Rückfahreinrichtung (RüFA) verschafft dem Fahrer eine noch bessere Übersicht wie in der Vorwärtsfahrt; er hat keine Motorhaube vor sich. Die Fahrtrichtungsänderung mittels RüFA erfolgt binnen einer Minute. Druckluftunterstützt lässt sich der Gesamte Bedienstand drehen. Der Bediener verriegelt, klappt das Rückfahrlenkrad in die Arbeitsposition und kann ohne „umdenken“ seine Tätigkeiten fortsetzen. Auch wenn er seine Ladung „am Haken“ hat und die Sicht auf den Strand eingeschränkt ist.

André Forkert