Die Infanterieverbände des Heeres sind als Teil des Wirkverbundes der Streitkräftegemeinsamen Taktischen Feuerunterstützung (STF) mit dem System Mörser 120 Millimeter ausgestattet.
Er ist die Steilfeuerkomponente zur unmittelbaren Feuerunterstützung der Infanterieverbände gegen weiche bis halbharte Ziele als Waffe mit Flächenwirkung. Der Einsatz erfolgt beim schweren System auf dem MTW M113 meist plattformgebunden, beim System auf dem Luftlandewolf und Wolf SSA im abgesessenen Einsatz unter Nutzung von Zweibein und Bodenplatte. Obwohl der Mörser 120 Millimeter abgesetzt eingesetzt werden kann, ist er aufgrund seiner Gewichtsbilanz nur unter erhöhtem Aufwand für die Begleitung abgesessener Kräfte geeignet.
Die Fähigkeitslücke für einen hochmobilen, abgesessenen Einsatz einer Steilfeuerkomponente mit begrenzter Reichweite soll deshalb durch das System Leichtes Wirkmittel indirektes Feuer geschlossen werden.
Einsatz bei der Infanterie
Das Leichte Wirkmittel indirektes Feuer ist ein Mörsersystem im Kaliber 60 Millimeter. Mit ihm soll zukünftig für die Infanterie (Jäger, Fallschirmjäger und Gebirgsjäger) und für die Spezialkräfte eine gesicherte Zielbekämpfung bei einer Reichweite von ca. 100 bis 1.500 Meter im direkten Richten und darüber hinaus bis 3.500 Meter im indirekten Richten gewährleistet werden. Das System ist abgesessen (ohne Fahrzeug) einsetzbar, in infrastrukturarmen und unwegsamen Geländen mitführbar, verladbar in Starrflüglern, Drehflüglern, auf Kraftfahrzeugen, Booten und auf Tragtieren und darüber hinaus luftlandefähig.
Das System dient der Bekämpfung sowohl von Punkt- als auch von Flächenzielen. Hierzu kommen unterschiedlichste Munitionssorten zum Einsatz, die den Operationsarten infanteristischer Kräfte Rechnung tragen. Primär sollen weiche bis halbharte Ziele mit Sprengmunition bekämpft werden, durch den Einsatz von Nebelmunition kann aber auch eine Blendwirkung erzielt werden. So wird das Ausweichen eigener Truppe unterstützt. Für den Einsatz bei Nacht steht zusätzlich eine Munition zur Gefechtsbeleuchtung sowohl im visuellen als auch im Infrarotbereich zur Verfügung. Dabei wird der Mörser 60 Millimeter gegen stehende oder bewegliche Ziele hochdynamisch und autark mit breitem Wirkspektrum eingesetzt.
Durch die schnelle und unmittelbare Verfügbarkeit sowie die indirekt gerichtete Waffenwirkung mit steilen Abgangs- und Auftreffwinkeln und den daraus resultierenden geringen „toten Räumen“ werden die Fähigkeiten der Spezialkräfte der Bundeswehr und der infanteristisch eingesetzten Kräfte erheblich aufgewertet.
Der Feind kann über die Reichweite und die Wirkung eigener und gegnerischer weitreichender Flachfeuerwaffen hinaus wirkungsvoll bekämpft werden. Lageabhängig wird Wirkungsüberlegenheit hergestellt und die gegnerische Waffenwirkung/Bewegungsmöglichkeit durch Niederhalten bzw. Bekämpfen reduziert. Das Waffensystem ist folglich auch geeignet, das Lösen vom Feind effektiv zu unterstützen. Die Durchsetzungs-, Durchhalte- und Überlebensfähigkeit wird erheblich verbessert.
Der Mörser 60 Millimeter wird durch die Infanterie in allen Operationsarten eingesetzt. Er leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Auftragserfüllung in allen Operationsarten und ist besonders geeignet für Anfangsoperationen und schnelle Anfangsoperationen, militärische Evakuierungsoperationen, Spezialoperationen, luftbewegliche und Luftlandeoperationen, Einsatz im Gebirge und Hochgebirge, Einsatz in Wüste und Dschungel sowie Jagdkampf und in isolierten Lagen. Darüber hinaus ist das Waffensystem besonders geeignet, um aus dem Hinterhalt durch sofortige Feuerunterstützung die Überlebens- und Durchhaltefähigkeit der Infanterie zu stärken.
Ziel ist es, bei allen Sichtverhältnissen das Vorgehen eigener Kräfte zu überwachen oder Ziele bei geringer Eigengefährdung unmittelbar zu bekämpfen.
Einsatz bei Spezialkräften
Bei den Spezialkräften wird der Mörser 60 Millimeter in allen Einsatzarten, d. h. Direct Action, Special Surveillance and Reconnaissance sowie Military Assistance eingesetzt.
Diese beinhalten die Einsatzaufgaben Schutz eigener Kräfte auf Distanz und Schutz von Personen in besonderer Lage, offensive Maßnahmen zur Abwehr terroristischer Bedrohung und Kampf gegen subversive Kräfte durch frühzeitige Aufklärung von Bedrohungspotenzialen und deren gezieltes Ausschalten vor Wirksamwerden, Kampfeinsätze, auch Kampf in der Tiefe, gegen Ziele strategischer und/oder operativer Bedeutung einschließlich der Lähmung oder Zerstörung wichtiger Einrichtungen, Objekte und Führungssysteme, verdeckte Operationen im Aufgabenspektrum der Streitkräfte sowie Zusammenarbeit mit und Ausbildungsunterstützung in Aufnahmestaaten.
Ausstattungsumfänge
Neben dem Heer werden die Luftwaffe, die Marine und die Streitkräftebasis den Mörser 60 Millimeter für ihre Sicherungs- und Spezialkräfte nutzen. Insgesamt werden 159 Sätze beschafft, davon beläuft sich der Gesamtbedarf im Heer auf 106, darunter 72 Systeme in der Infanterie, zwei Systeme an der Technischen Schule des Heeres sowie acht Systeme zur lehrgangsgebundenen Ausbildung an der Artillerieschule. Alle Systeme sind konvertierbar, d. h. jeder Mörser wird mit Stabilisierung (Zweibein) ausgeliefert und kann zu einem sogenannten Kommandomörser ohne Stabilisierung (direktes Richten ohne Zweibein) umgebaut werden.
Neben der Einsatzmunition, bestehend aus Patronen 60 Millimeter Spreng mit Aufschlagszünder, Leucht (infrarot und visuell) und Nebel, werden zusätzlich Patronen als Ausbildungsmunition beschafft. Hierdurch soll der standortnahen Ausbildung, ggf. auf entsprechend geeigneten Standortübungsplatzeinrichtungen, Rechnung getragen werden.
Der organisatorische Aufwand im Rahmen der Besatzungsausbildung wird hierdurch reduziert.
Auswahl und weiteres Vorgehen
Die Initiative zum Projekt wurde bereits im Jahre 2013 gebilligt, die Bedarfsbegründung erfolgte dann zwei Jahre später. Nachdem eine Vergleichserprobung der Anbieter im Jahre 2020 durchgeführt wurde, wurde die Waffe der Firma Hirtenberger und die Munition der Firma Rheinmetall ausgewählt.
Aktuell wird unter Federführung des Amtes für Heeresentwicklung das Ausbildungskonzept erstellt. Die Fachausbildung wird zukünftig an der Artillerieschule in Idar-Oberstein durchgeführt. Hier findet auch die Ausbildung für das System Mörser 120 Millimeter statt, da hier die Expertise für alle Systeme des indirekten Feuers vorhanden ist.
Da der Mörser 60 Millimeter insbesondere für den abgesessenen Einsatz optimiert ist, muss eine geeignete Trageausstattung sowohl für die Waffe als auch die Munition bereitgestellt werden. Derzeit erfolgt die Testung verschiedenster Tragesysteme, um anschließend die bestgeeignete Ausstattung auswählen zu können.
Die industrieseitige Qualifikation des Leichten Wirkmittels indirektes Feuer wird in Zusammenarbeit durch beide Firmen in Form eines geleiteten Versuchsprogramms im scharfen Schuss stattfinden. Nach positivem Abschluss kann die Qualifikation der Waffe und der Munition (Systemqualifikation) durch die Wehrtechnische Dienststelle 91 in Meppen beginnen. Im Rahmen der integrierten Nachweisprüfung wird auch die Einsatzprüfung unter Leitung des Amtes für Heeresentwicklung geplant und in Zusammenarbeit mit ausgewählten Truppenteilen, dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr und unter Einbeziehung von Personal der Truppenschulen durchgeführt.
Wenn alle Überprüfungen erfolgreich abgeschlossen wurden, sollen zu Beginn des Jahres 2025 die ersten Systeme an die Truppe übergeben werden.
Autor: Leutnant Sebastian Hadam ist Angehöriger des Amtes für Heeresentwicklung.