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Mittlere Kräfte: Traktoren als Enabler?

Andre Forkert

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Der Inspekteur des Deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, bezeichnet die Mittleren Kräfte als den Innovationstreiber im Heer. Nicht nur Deutschland beschäftigt sich man mit der Aufstellung solcher Kräfte. In einigen Ländern nimmt damit auch die Nutzung von Traktoren bei den unterschiedlichsten Waffengattungen innerhalb der NATO-Streitkräfte zu.

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Der STEYR 6300 Traktor auf dem Industry Day in Ingolstadt im Dezember 2023. Am Heck als Anbau ist die kleine Grabenfräse zu sehen. (Foto: Autor)

Moderne Traktoren sind eine interessante Option zur Nutzung als Unterstützungsfahrzeuge -sogenannte Enabler – in den unterschiedlichsten Waffengattungen, wie z.B. bei Pionieren als modulare Pioniermaschine, bei den Logistiktruppen zum Materialtransport und Materialumschlag oder bei den Kampftruppen als Erdarbeitsgerät (EAG). Sie sind echte multifunktionale Talente, sehr flexibel, kosteneffektiver als Gefechtsfahrzeuge, und zudem marschkolonnenfähig.

Als Beispiele dieser Fahrzeuggattung zeigten die Firma ACHLEITNER aus Österreich den gepanzerten STEYR TERRUS, während FENDT, Marktführer im Segment der Großtraktoren, einen FENDT 900 mit einer geschützten Kabine von PSV und einen ungeschützten FENDT 700 vorstellten. Als dritter Aussteller hat sich die Firma REBO positioniert und einen geschützten Traktor auf Basis der Serie 6 von John Deere vorgestellt.

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Bewertung der norwegischen Streitkräfte in Bezug auf Enabler beim Host Nation Support. (Grafik: NOR SK)

 

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Tabellarischer Vergleich der drei Großtraktoren:

Höhe in mm PS ZGG / Nutzlast Vmax Vmin
STEYR 3.457 313 16.800 / 4.500 50 km/h 300 m/h
FENDT 3.385 415 19.000 / 7.000 >60 km/h 20 m /h
REBO 3.250 253 17.000 / 6.000 50 km/h 300 m/h

 

Die Minimalgeschwindigkeit des FENDT von 20 m/h ermöglicht auch den Betrieb groß dimensionierter Grabenfräsen wie z.B. der SGF 1300 der Firma STEHR zur Unterstützung beim Bau von Schützen- und Panzerabwehrgräben. Mit dieser Fräse können binnen einer Stunde Gräben mit einer Breite von circa 35 cm und einer Tiefe von 1,5 m in einer Länge von 800 bis 1.000 m gezogen werden, in Abhängigkeit von der Bodenbeschaffenheit.

Im Straßen- und Wegebau erleichtert die Langsamfahrt das präzise Arbeiten. So kann in einem Pioniermaschinenzug zum Beispiel ein Verdichterzug durch die Arbeit der Traktoren ersetzt werden.

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John Deere mit Grader und Plattenverdichter. (Foto: PTH)

Für die Transportlogistik bei den Pionieren bedeutet dies den Ersatz eines Verdichterzuges mit einer Masse von circa 15 t durch ein Anbaugerät mit einer Masse von etwa 3 t. Zugleich können das Einebnen und Verdichten durch nur eine Maschine in einem einzelnen Arbeitsschritt erfolgen. Wichtig für die Unterstützung der Kampftruppe mittlere Kräfte: die Verladung des Verdichterzuges auf einen Tieflader entfällt. Wie sich an diesem Beispiel zeigt, bieten Traktoren eine deutlich höhere Flexibilität bei der Unterstützung.

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Französische Pioniere mit Walzenzug und Grader beim Schaffen eines Waldweges. (Foto: DGA)

Die Großtraktoren erweitern das Fähigkeitsspektrum um ein weiteres Segment. Der Verlegung von Gefechtsfeldbrücken. Als Konzept gezeigt am Beispiel der Gefechtsfeldbrücke COBRA von General Dynamics European Landsystems (GDELS) ermöglicht die leistungsstarke Heckhydraulik des FENDT 900 in Kombination mit der werksseitig lieferbaren Rückfahreinrichtung das verzugslose Heranfahren an die Übergangsstelle und das schnelle Verlegen der Gefechtsfeldbrücke.

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COBRA-Brücke bei der An- oder Abfahrt mit einem Traktor FENDT 900. (Grafik: GDELS)
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Längen und Lastenklassen der COBRA. (Grafik: GDELS)

Eine wesentliche Forderung für den Einsatz der mittleren Kräfte ist die Verlegung über große Entfernungen auf eigener Achse. Das heißt alle Fahrzeuge müssen marschkolonnenfähig sein. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von >60km/h erfüllen lediglich die FENDT Traktoren diese Forderung. Wie oben in der Tabelle bereits gezeigt bieten die Traktoren von Steyr und RABO eine maximale Geschwindigkeit von 50 km/h.

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Die „Universelle Pioniermaschine“ am Beispiel des Traktors FENDT 900G. Mit dem er Traktor können dank der Vielzahl von Anbaugeräten nahezu alle Fähigkeiten des Pioniermaschinenzuges abgebildet werden. Zudem können die Traktoren auch logistische Unterstützungsaufgaben wie be- und entladen übernehmen. (Grafik: FENDT)

Hervorzuheben sind die geringen Wenderadien von Traktoren. Mit circa 11 m betragen sie etwa die Hälfte eines 6×6 Allrad LKW, was ihnen ein für ein Radfahrzeug außergewöhnlich hohe Beweglichkeit auf- und abseits der Straße verschafft.

Der Wendekreis der genannten Traktoren ist ähnlich dem eines Geländestaplers, so dass sich diese Traktoren bestens für den Materialumschlag in den Versorgungspunkten eignen. Dafür bietet der Frontlader des STEYR und des REBO eine Hubkraft von ca. 4,0 t, der des FENDT circa 5,5 t an.

Die Traktoren der 900er Serie von FENDT sind mit MAN Motoren der Baureihe D26 ausgestattet, wie er auch z.B. bei der militärischen HX-LKW-Serie von Rheinmetall eingesetzt wird. Damit ergibt sich ein logistischer Vorteil bei allen MAN Nutzerstaaten.

Die Traktoren der drei genannten Hersteller können mit geschützten Kabinen und mit Schutz für die Fahrzeugkomponenten ausgestattet werden. Im Vergleich der geschützten Kabinen erscheint die Kabine von PSV Shield, integriert in den FENDT Serien 600 bis 900 als die übersichtlichste. Alle drei Kabinen sind qualifiziert und werden bereits in Kampfmittelbelasteten Geländeabschnitten von Truppenübungsplätzen erfolgreich durch die Dienstleistungszentren der Bundeswehr eingesetzt.

In der geschützten Variante können diese Kabinen auch mit einer Fernbedienbaren Waffenstation ausgestattet werden. Dies ist ein wichtiger Aspekt des Selbstschutzes auf dem Gefechtsfeld. Um die Fahrzeughöhe nicht unnötig weiter zu erhöhen, werden Waffenstation mit möglichst geringer Bauhöhe benötigt. Deshalb nutzt das Bewaffnungskonzept von FENDT Defence die leichte Waffenstation LOKI von VALHALLA und bleibt so unter der für die Straßenzulassung notwendigen Höhe von 4 Metern. Ein anderer Anbieter für leichte, kompakte und ferngesteuerte Waffenstationen ist das australische Unternehmen Electro Optic Systems Pty Ltd (EOS). Diese werden in Deutschland und Teilen von Europa durch Diehl Defence angeboten.

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FENDT M942S mit RCWS LOKI. Die Gesamthöhe liegt in der Kombination unter 4 m. (Grafik: VALHALLA)

Aber die Traktoren sind nicht nur als Enabler auf dem Gefechtsfeld geeignet. So können sie im Rahmen der Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Rahmen von Hilfeleistungseinsätzen bei Katastrophen oder Unglücksfällen oder zum Löscheinsatz bei Wald- und Vegetationsbränden genutzt werden.

Speziell in Geländeabschnitten in denen Kampfmittel vermutetet werden, ermöglicht ein geschützter Traktor mit dem Tankrucksack der Firma WELTE den Löschkräften ohne Gefährdung den Brand zu bekämpfen. Laut WELTE ist eine Variante mit einem Löschmonitor, welche aus der geschützten Kabine heraus bedient werden kann, bereits entwickelt. Die Kombination von hoher Mobilität, auch im Gelände und in Kombination mit zum Beispiel einem Räumschild und dem Schutz des Bedieners eröffnet neue Möglichkeiten im Kampf gegen Wald- und Vegetationsbrände.

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Traktor mit dem WELTE Tankrucksack. (Foto: WELTE)
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STEYR TERRUS des Österreichischen Bundesheeres bei einer Löschübung auf dem Truppenübungsplatzes Allentsteig (Foto: ÖBH)

Andre Forkert